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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 15.1921

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Marzynski, Georg: Zwei Darstellungsprobleme der bildenden Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3623#0357
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X.

Zwei Darstellungsprobleme der bildenden Kunst.

Psychologische Untersuchungen.

Von
Georg Marzynski.

1.

Ich muß die Auseinandersetzung mit einer Art Entschuldigung
einleiten, einer Entschuldigung dafür, daß ich den Leser in eine Wissen-
schaftssphäre hineinführe, die dem künstlerisch Interessierten meist
völlig fremd ist. Was uns hier beschäftigen wird, sind Überlegungen
und Beobachtungen, die dem Gedankenkreise der experimentellen
Psychologie angehören, und zwar zum großen Teil der Sinnespsycho-
logie. Doch wird schließlich niemand Maler sein können, der nicht
an den Farben und dem Licht schon als bloßer sinnlicher Erschei-
nung ein lebhaftes Interesse nimmt. Und in der Tat sind Lionardo
da Vinci und Goethe die Ahnherren der heutigen psychologischen
Optik. Ähnlich aber wie bei den Malern wird es bei den Kunst-
wissenschaftlern stehen. Auch für sie wird alles, was die sinnlichen
Elemente der sichtbaren Welt betrifft, wichtig und wissenswert sein.
Und ich hoffe zu zeigen, daß Beobachtungen an ganz primitiven
Phänomenen wertvolle Ergebnisse für die Kunstwissenschaft liefern.

Dabei werden wir beständig von einer bestimmten Annahme aus-
gehen, die gleich am Eingang als Fiktion nachdrücklich gekennzeichnet
werden soll: Von der Annahme nämlich, daß es dem Künstler einfach
darauf ankomme, ein Stück der Wirklichkeit wiederzugeben, oder
wenigstens ein Phantasiegebilde so zu malen, daß es die Illusion er-
zeugt, es handle sich um eine Wiedergabe wirklicher Dinge. Ich weiß
sehr wohl, daß selbst ein naturalistischer Künstler, eben weil er
Künstler ist, mehr will als eine bloße Wiederholung der Wirklichkeit.
Trotzdem ist es nützlich, diese Fiktion festzuhalten, denn sie ver-
einfacht die Fragestellung. Sie scheidet alle diejenigen Darstellungs-
probleme aus, welche ihren Grund in den künstlerischen Absichten
haben, und läßt alle diejenigen klar erkennen, welche schon bei der
bloßen Wiedergabe eines Weltausschnittes auftreten. Und wir
werden sehen, daß in dieser niedersten Sphäre des Kunstschaffens

Zeitsehr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XV. 23
 
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