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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 15.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.3623#0479
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BESPRECHUNGEN. 475

führen kann und der, um für jede Stufe einen gewissen geistigen Kollektivzustand
zu erweisen, jeweils die heterogensten geschichtlichen Elemente in sein psycho-
logisches Schema pressen muß, worunter gerade auch seine Darstellung der künst-
lerischen Entwicklung Deutschlands leidet. Schließlich kann auch seine Synthese
eines idealistisch-metaphysischen Hintergrundes nicht entbehren und so langen wir
doch wieder in der Nähe des Ausgangspunktes an. Der Gewinn der ganzen Me-
thode liegt nach Troeltsch in der durchgängigen realistischen Durchfärbung der Ge-
schichte, die wir uns wohl gefallen lassen können; weiterhin in der Zurückführung
dieses Realismus auf möglichst allgemeine Prinzipien. Aber was helfen mir diese
»allgemeinen Gesetze«, d. h. zum großen Teil nur recht bedenkliche Verallgemeine-
rungen von Tatsachen, die auf induktivem Wege aus der Beobachtung einzelner
Fälle mit ihrer ganzen indirekten Besonderheit gewonnen sind. Bei rein »kausaler«
Betrachtung kommen wir, wie Troeltsch am Schlüsse betont, weder zu einer rein-
lichen Abgrenzung des einzelnen Gegenstandes, der ja doch allemal ins Ganze ver-
fließt, noch zu einer wirklichen Entwicklung, sondern nur zu Reihenbildungen, die
allen höheren Gebilden gegenüber versagen.

Hamburg. Robert Petsch.

Johannes Volkelt, Das ästhetische Bewußtsein; Prinzipienfragen
der Ästhetik. C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung, Oskar Beck, Mün-
chen 1920. 228 S.
Als ich vor einiger Zeit an dieser Stelle die neue Auflage von Wundts Kunst-
band aus seiner Völkerpsychologie anzeigte, mußte ich — trotz aller Verehrung —
darauf hinweisen, wie dünn sich die Probleme lebendiger, moderner Forschung in
jenem Werke abzeichnen, wie stark die Fühlung zur Gegenwart gelockert ist. Das
gerade Gegenteil gilt von der vorliegenden Arbeit des Altmeisters unserer Wissen-
schaft, die mitten hinein in aktuellste Fragen leitet. Der Leser wird immer wieder
die weise, besonnene Klarheit aller Ausführungen bewundern, die Durchsichtigkeit
und Folgerichtigkeit des Aufbaues, die geschmeidige Fügsamkeit der Sprache, die
feinste seelische Verwebungen schaubar macht, vor allem auch die vollendete Be-
herrschung der Literatur, die sich bis auf die Jüngsten erstreckt. Ein Buch Volkelts
braucht man Fachleuten nicht zu empfehlen; sie wissen sehr gut, daß sie es lesen
müssen, und die Lektüre sich lohnt. Kritische Randbemerkungen will ich in diesem
Falle unterlassen, denn die beiden Bände meiner »Grundlegung der allgemeinen
Kunstwissenschaft« (1914 und 1920) boten mir hinreichend Gelegenheit zu eingehen-
der Auseinandersetzung. Ich bedauere nur lebhaft, daß Volkelt der allgemeinen
Kunstwissenschaft als solcher schroff ablehnend gegenübersteht, denn die Differenz
scheint mir gar nicht so unüberbrückbar. Den wesensnotwendigen Zusammenhang
der Kunst mit dem Ästhetischen habe ich niemals geleugnet, im Gegenteil stets
nachdrücklich betont. Und Volkelt anerkennt »vollauf«, »daß die Kunst auch mora-
lische, pädagogische, volkswirtschaftliche, ethnologische Seiten in sich schließt«.
Ich ziehe daraus den Schluß, daß die Ästhetik dem vollen Tatbestand der Kunst
nicht gerecht zu werden vermag, und daß von ihrem Standpunkt aus eine rein
ästhetische Kunst gefordert werden müßte. Auch im Betriebe der Wissenschaft
spielen verschiedene Faktoren mit, sie sind aber deutlich als trübende Medien er-
kennbar, psychologisch bedeutsam, nicht systematisch gerechtfertigt. Die außer-
ästhetischen Sachverhalte der Kunst scheinen mir jedoch nicht Beigaben, die sachlich
besser unterblieben, sondern verankert in Gegenständlichkeit, Wesen und Wert der
Kunst. Darum halte ich es für unzulässig, vom Ästhetischen ausgehend zur Kunst
 
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