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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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Kümmerlen, Robert: Über die Bildwirkung der pantomimischen Filmbühne
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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0067
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BEMERKUNGEN.

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stigste hinstellt, so beschränkt er damit die freie Entfaltungsmöglichkeit der
Tiefendarstellung auf eine ganz bestimmte und einseitige. Eine über die verschie-
denen Bildausschnitte gleichmäßig gehaltene Tiefe beeinträchtigt unsern Raum-
eindruck und tötet die Wirkung ab. Daher wechseln im Film die verschiedensten
Tiefendarstellungen miteinander. — Eine vielfältig und frei gewonnene Tiefen-
gestaltung zeigt sich an Stilformen in der Filmbühne. Es wird in Anlehnung an
einen besonderen Kunststil der Raum dargestellt. Die Eigenart oder Originalität
des Regisseurs bestimmt die Tiefengestaltung in einer besonderen Weise. Es kann
mehr oder weniger bewußt die Tiefe zur Gewinnung einer eindeutigen Obersicht
verwendet werden. Die Elemente der Raumdarstellung kehren nach dem Sinn ihrer
Tiefenaufstellung die Innenseite der Handlung hervor. Es läßt sich eine starke Unter-
scheidung zwischen amerikanischem und europäischem Film machen. In der Stil-
führung ihrer Bilder gehen die europäischen Filme auf eine freie Durchführung
der Perspektivengesetze aus. Die Raumelemente sind in lockerem, sich lösendem
Perspektivensinn gesehen. Es soll nicht in harten Formen dargestellt sein, was in
Formenabrundung, in Verflechtung oder Ineinandergehen der Formen dargestellt
weiden kann. Dagegen liegt dem amerikanischen Film an einer strengen Regel-
mäßigkeit und fast schablonenhaft geschnittenen Raumaufslellung, die nicht selten
an einen puppenhaft und spielzeugartig erscheinenden Bau der Bühne erinnert.
Dieser Stil zeigt eine ganz anders durchgreifende Perspektive, weit planmäßiger
werden die in der Tiefe gelagerten Raumelemente gesehen und von einander ab-
gehoben; die besonderen Formen gehen hier auf die einfachsten Symmetrieverhält-
nisse aus. —

Von der Raumdarstellung ganz unabhängig ist die Bewegung und das Zeit-
verhältnis im Film. Auch die Bewegungsdarstellung ist zur Charakteristik der
eigenartigen „Bühne" anzuführen. In der Bewegungsvorführung auf den Lauf-
bildern ist die bestimmte Zeit, in der die Bewegungen erfolgen, nicht so unmittelbar
gegeben wie auf der Theaterbühne, in der sich ein ganz natürlicher Ablauf der Be-
wegungen, der sich gar nicht anders verhalten kann, zeigt. Den Bewegungen auf
der Filmbühne entsprechen ganz eigenartige Zeiten, die bei unserer Einstellung auf
die Filmaufführung variieren und in einer besonderen „Zeitsphäre" sich ausdrücken.
Es sind zunächst in ihrem Zusammenhang veränderliche Bewegungszeiten zu unter-
scheiden.

Die Pantomime hat in ihrer Bewegungsdarstellung immer ein bestimmtes tat-
sächliches Tempo, die Zeit, die alle Bewegungen, wenn sie wirklich ausgeführt wer-
den, auch tatsächlich braucht. Es ist dies die eigentliche „Pantomimen-
z e i t". Solche Pantomimenzeit ist aber häufig nicht unmittelbar, sondern erst
mittelbar dargestellt; in welcher pantomimischen Zeit die Bewegungen ausgeführt
sind, ist in der Anschauung nicht direkt gegeben. Für alle andern Bühnenformen
ist diese pantomimische Zeit die einzig grundlegende; jedoch bestehen auf der Film-
bühne auch noch weitere Zeiten, die zur künstlerischen Gestaltung beitragen.

Die Vorführungen auf Laufbildern erlauben eine große, in mannigfaltiger ästhe-
tischer Richtung wirksame Zeitveränderung, sie machen eine variable Zeitdarstellung
aus; die ganz eigene „V o r f ü h r u n g s z e i t". Sie ist eine Zeit, die jede Bewe-
gung gemäß der Geschwindigkeit des Filmablaufs in der Vorführung braucht. Im
Hinblick auf diese veränderliche Vorführungszeit schreibt J. Bab in seinen Dar-
legungen über „Film und Kunst" (Z. f. Ä. u. a. K. 1925, S. 178.) von einer durch
und durch originellen Leistung des Films, von einer grenzenlosen Beweglichkeit.
Das Tempo der Vorführung kann beliebig verlangsamt oder schneller gemacht
werden. Der Abstand oder die Verschiedenheit der relativen Vorführungszeit von
der relativ tatsächlichen Pantomimenzeit bewirkt für die Darstellung einen ver-
 
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