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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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Trojan, Felix: Zur Psychologie der Farben bei Goethe
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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0248
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Bemerkungen.

Zur Psychologie der Farben bei Goethe.

Von

Felix Trojan.

Goethes Schriften „Zur Farbenlehre" haben bei der späteren Forschung
ungleiche Bewertung erfahren. Seine Theorie der „Physiologischen Farben", die auf
dem Grundgedanken des Kontrastes aufgebaut ist und der zufolge sich die durch
Simultan- und Sukzessivkontrast hervorgerufenen Farben zu den gegebenen nicht
streng gegenfarbig verhalten, sondern bestimmte Abweichungen zeigen, so daß
Gelb das Violette, Orange das Blaue, Purpur das Grüne fordere, — diese Theorie
hat den vollen Beifall der neueren subjektivistischen Sinnesphysiologie gefunden1).
Eine wesentliche Korrektur ergab sich hier nur hinsichtlich der Zahl der Grund-
qualitäten des Farbensinnes, da Goethe noch an der Dreizahl der Qualitäten fest-
hielt, während Leonardo da Vinci, auf dessen feinsinniges „Buch von der
Malerei" sich der moderne Psychologe auch sonst gerne beruft2), schon vier Ur-
farben zugrunde gelegt hatte. Goethes Theorie der „physischen Farben" hat
dagegen den schärfsten Widerspruch der Physiker wie der physikalisch orientier-
ten Physiologen erregt. H e 1 m h o 11 z hat sich mehrmals in diesem Sinne mit
Goethe auseinandergesetzt3), zum erstenmal noch zu einer Zeit, da das breite
Publikum durchaus willens war, die Autorität Goethes gegen die der aufblühen-
den Naturwissenschaften auszuspielen. Heute ist wohl nur mehr das Motiv dis-
kutabel, das Goethe zu seinem Irrtum, oder vielmehr zur Übernahme einer fal-
schen Theorie verleitet hat, die sich über L. Nuguet, Funccius, Athana-
sius K i r c h e r bis in die Antike, speziell zu Aristoteles zurückverfolgen
läßt, und deren Grundgedanke darin besteht, daß die getönten Farben aus der
Schwarz-Weißreihe bzw. aus dem Gegensatz des ungetönten Lichtes und des Schat-
tens abzuleiten seien. Helmholtz sieht dieses Motiv in der Abneigung
Goethes gegen die Ersetzung der sinnlich gegebenen Erscheinung durch un-
wahrnehmbare, nur durch Begriffe bestimmte Dinge. Es sei eben dieser Schritt in
das Reich der Begriffe gewesen, der Goethe zurückgeschreckt habe4). Die
phänomenologische Forschung darf ja — eben dieses von Helmholtz so scharf

*) s. A. von Tschennak, Über das Verhältnis von Gegenfarbe, Kompensations-
farbe und Kontrastfarbe. Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 117, S. 473.

-') So Karl Bühler an zahlreichen Stellen seines „Handbuches der Psycho-
logie", I. Teil, 1. Heft: Die Erscheinungsweisen der Farben, Jena 1922.

s) „Über Goethes Naturwissenschaftliche Arbeiten". Vortrag, gehalten im
Frühling 1853 in der deutschen Gesellschaft zu Königsberg. — „Goethes Vor-
ahnungen kommender naturwissenschaftlicher Ideen." Rede, gehalten in der General-
versammlung der Goethe-Gesellschaft zu Weimar den 11. Juni 1892, Berlin 1892;
vgl. ferner die bezüglichen Stellen im Handbuch der Physiologischen Optik.
3 II. bes. S. 95.

4) In der Schrift von 1853, S. 48.
 
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