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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0095
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BESPRECHUNGEN.

79

so zeigt er, wie Fogazzaro in seiner dichterischen Entwicklung alle drei Roman-
stufen durchschritten hat. Auch hier überzeugen seine Ausführungen. Von Einzel-
heiten muß ich absehen; es sei nur noch kurz auf Leos Ausführungen zum Symbol-
begriff hingewiesen. Was heißt ihm (bei Fogazzaro) Symbol, symbolistisch? „Indem
die jeweils suggestiven Worte wie ein Qliederwerk über die von Bildern begleitete
Stoffmasse des Buches verteilt sind, stimmungweckend, kontrastschaffend, deutend
und andeutend, erzeugen sie im weitesten Umfange eine Spannung zwischen
Inhalt und Form, die unter Umständen das ganze Buch durchwirkt als seine eigent-
liche künstlerische Wirkung; und da durch diese formal und wortmäßig erzeugte
Spannung jeweils das Bewußtsein von vorhandenen poetischen, seelischen, stim-
mungsmäßigen Unterströmungen geschaffen wird, die selber im Erzählten und den
es begleitenden Bildern nicht ausgesprochen sind, so erkennen wir Wirkung und
Bedeutung dieser formalen Spannung als symbolisch" (169). Entsprechend jenen
Romanstufen unterscheidet Leo bei Fogazzaro erstens einen Inhaltssymbolismus,
zweitens formal verwendete Inhaltssymbole, und hier eine verfehlte Symbolverwen-
dung in Fogazzaros Mittelzeit, und drittens sprachliche Formsymbole. Auf Grund
dieser Romantheorie und Erkenntnis der Entwicklung Fogazzaros zum „symbolisti-
schen Lebensroman" (188) hin kommt Leo auch zu einer von der allgemeinen ab-
weichenden Wertung von Fogazzaros Romandichtung „Leila", in der er das sein
gesamtes Schaffen krönende Werk erblickt (174 f., 188 ff.). Besonders durch einen
Vergleich der sich in vielen Zügen ähnelnden Werke ,,'Malombra" von 1881 und
-Leila" von 1910 unterstützt Leo in sehr treffender Weise seine Darlegungen. Der
Leila" Fogazzaros gehört offenbar die besondere Liebe des Verfassers; er wird
nicht müde, ihre stilistischen Reize und Werte zu schildern.

So finde ich es ein wenig enttäuschend, wenn Leo, nachdem er ein gewaltiges,
bewunderungswürdig gemeistertes Beobachtungsmaterial vor uns ausgebreitet und
fast unmerklich zum Bilde einer zwingenden stilistischen Entwicklung gefügt hat,
bekennt: „veraltet an Fogazzaro ist vielfach, was er als Stilkünstler tat" (221).
Zwar heißt es bejahend weiter: „dem heutigen Geist unmittelbar gemäß ist, was
sein Stil wollte." Woher diese Einschränkung? Warum, da doch Leo den „Lebens-
roman" als den „modernen" Roman, als den Roman der Zukunft feiert, diese
Resignation hinsichtlich der stilistischen Gestalt des Lebensromans, wie Fogazzaro
sie formte? Leo fühlt sich zu dieser Resignation genötigt durch Fogazzaros Gefühls-
haftigkeit, durch seinen Anti-Intellektualismus; denn heute herrsche der Intellek-
tualismus, als dessen Vertreter ihm etwa Thomas Manns „Zauberberg" gilt. Gerade
dieses Beispiel veranlaßt mich jedoch zu den Fragen: ist dieser Intellektualismus
nicht vielmehr ein spezifisch kunstfeindliches Prinzip, sollte nicht doch im reinen
Kunstsinn Fogazzaro vor Thomas Mann recht behalten und die „Leila" in unend-
lich viel tieferem Sinne „Lebensroman" sein als der „Zauberberg"? Mir scheint die
»»Leila" ohne Zweifel zu den dauernden Kunstwerken der Weltliteratur zu gehören,
während der „Zauberberg" doch wohl nur ephemeres Dokument ist einer dialekti-
schen Geistigkeit, die wohl zerreden, aber nicht schaffen kann.

Greifswald. Kurt Gassen.

Hans Thoma, Brief Wechsel mit Henry Thode 1889—192 0. Her-
ausgegeben von Jos. Aug. Beringer, Leipzig 1928, Koehler und Amelang.

Die Lebensstimmung dieser Briefe läßt sich kaum besser, als mit einer Bemer-
kung Thomas selbst wiedergeben: „Es war mir zumute, als ob wir beide urfs die
Hand darauf gegeben hätten, daß wir froh bleiben wollten, trotz alledem — trotz
allen Vergänglichkeiten und Kleinlichkeiten des Alltags" (S. 261). Menschlich
 
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