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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0177
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BESPRECHUNGEN.

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zu künstlerischen Leistungen sublimiert werden und wodurch der ästhetische Wert
der künstlerischen Leistung bedingt wird. Die von der Psychoanalyse so stark be-
tonte Abhängigkeit der künstlerischen Produktion von der sexuellen Einstellung
läßt v. Sydow nur eingeschränkt gelten; es gibt nach ihm eine primitive vom Eros,
beherrschte und eine der Hochkultur entspringende erosbeherrschende Kunst. Im
folgenden Referat über „Mythologie, Religionsgeschichte und Psychoanalyse" weist
Clemen die Unhaltbarkeit der Freudschen Theorien des Totemismus und des Tabu
nach und rindet überhaupt die bisherigen Beiträge der Psychoanalyse zur Mytho-
logie und Religionsgeschichte, von wertvollen Einzelheiten abgesehen, fast durch-
weg unbefriedigend. Grünbaums Arbeit „Die Idee der Psychoanalyse und die Er-
kenntnistheorie" prophezeit eine Überwindung des naturwissenschaftlichen „scienti-
stischen" Erkenntnisideals mit seinen Forderungen der Allgemeingültigkeit, Wer-
tungsfreiheit und Neutralität den Objekten gegenüber durch ein neues von der
Psychoanalyse beeinflußtes „technosophisches", das nicht auf allgemeine Gesetze
sondern auf konkrete Einzelfälle abzielt, nicht wertungsfrei ist, sondern wertendes
Verhalten einschließt, den Objekten gegenüber nicht neutral ist, sondern seine Ge-
genstände umbildet. „Ethik, Pädagogik und Psychoanalyse" haben nach Paul Häber-
lin nichts miteinander zu tun, solange die Psychoanalyse nur das ist, was sie offi-
ziell sein will: Heilverfahren, Forschungsmethode und psychologisches System; frei-
lich ergeben sich Beziehungen dadurch, daß die Psychoanalyse inoffiziell von ethi-
schem Relativismus, Subjektivismus und Eudämonismus infiltriert ist.

Der zweite Teil des Bandes behandelt in fünf Aufsätzen die Auswirkungen der
Psychoanalyse auf die Naturwissenschaften. Wie die physikalischen Theorien fort-
schreitend unanschaulicher geworden sind, so verlangt auch die Psychoanalyse, daß
wir das eigentlich Psychische als jenseits der seelischen Anschauungsmöglichkeit,
nämlich als unbewußt, auffassen; darin liegt nach Hopf eine Beziehung zwischen
„Exakter Naturwissenschaft und Psychoanalyse". „Psychoanalyse und Biologie"
bringt Ehrenberg in Beziehung, indem er biologische Parallelen zu den psychoana-
lytischen Grundbegriffen des Triebes, der Verdrängung, des Unbewußten u. a. kon-
struiert; entsprechend den Trieben nimmt er z. B. einseitig verlaufende, vitale Ele-
mentarprozesse an, womit er sich dem Avenarius'schen Begriff der „Vitalreihe"
nähert. Die Überschriftsworte „Medizin, Klinik und Psychoanalyse" bezeichnen nach
von Weizsäcker die Epoche der ersten Kämpfe Freuds; die Psychoanalyse ging da-
mals aus vom Menschen als Naturwesen und entdeckte schließlich den in geistige
und gesellschaftliche Beziehungen verwohnen Kulturmenschen. Birnbaum schildert
als „Auswirkungen der Psychoanalyse in der Psychiatrie" die Begünstigung der
strukturanalytischen Bestrebungen, der psychologischen Analyse, der dynamischen
Forschungsweise; weiter die höhere Bewertung der Affektivität und der emotionalen
Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und Psychose. Das letzte Referat der
Reihe über „Psychoanalyse und Parapsychologie" von Happich gibt eine Übersicht
über die verschiedenen Einstellungen der Psychoanalytiker zu den okkulten Phäno-
menen, die von völliger Ablehnung bei Reich über die freundliche Einstellung Freuds
bis zur Anerkennung bei Stekel gehen.

Den Schluß des Werkes bilden wiederum 8 Aufsätze, welche die Auswirkungen
der Pschoanalyse auf Leben und Schaffen zum Gegenstand haben. Carl Häberlin
führt aus, wie die Psychoanalyse das ärztliche Handeln befruchtet, indem sie den
Menschen in weit größeren und tieferen Zusammenhängen sehen läßt. Mahr for-
dert für sittlich-religiöse Schäden analytisch geschulte Seelsorger. Ebenso hält
Müncker vom katholischen Standpunkt aus analytische Kenntnisse für den Seelsor-
ger für sehr erwünscht. Für die Rechtspflege ist, wie Meyer darlegt, die vertiefte

Zeitschr. für Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XXIV.

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