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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0189
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BESPRECHUNGEN.

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tung und eine thesenartige Heraushebung der Hauptgesichtspunkte des Interpreten
in einer Reihe von „Schlußsätzen" folgt — wobei man freilich gerade in dieser
Schlußbetrachtung ein stärkeres Zusammenknüpfen der einzelnen Fäden wünschen
möchte, das den Kerngedanken deutlicher herausgehoben hätte.

Böhms Analyse des Sch.sehen Textes ist zugleich interpretierend und kritisie-
rend. Und gerade in dieser Einzelkritik sieht B., wie die Einleitung betont, seine
Hauptaufgabe. Die Scheu vor solcher Kritik bekämpft er ausdrücklich. Aber so
gewiß man von der Möglichkeit „unlauterer Motive", gegen die er sich in der Ein-
leitung verwahrt, von vornherein absehen und gern annehmen wird, daß „die Schrift
nicht für allzu bereite Gegner Schillers geschrieben ist", so bleibt auch bei Aus-
schaltung aller derartigen Momente in dieser von Anfang an kritischen Einstellung
eine Gefahrenquelle, die gerade B.s Buch deutlich aufzeigt: Wo Schwierigkeiten für
das Verständnis ohne weiteres auf objektive Unklarheiten der Darstellung zurück-
geführt werden, da fehlt jede Kontrolle richtiger Interpretation; ein Verfehlen des
einzelnen kann dabei leicht die Auffassung des Ganzen gefährden, und wiederum
muß jede Mißdeutung des Ausgangspunktes hemmungslos zu Irrtümern gegenüber
der Einzelargumentation führen.

Das Verhältnis der „Briefe" zu einzelnen philosophischen Gedichten und zu
den Dramen Sch.s wird von B. in einem Anhang behandelt, während die Beziehung
zu seinen übrigen philosophischen Schriften nur sehr gelegentlich gestreift wird.
Hingegen nehmen, trotz der Verwahrung der Einleitung gegen eine grundsätzliche
Behandlung des Verhältnisses Schiller-Kant, die Ausblicke auf dessen System wie
auf die Stellung zu anderen philosophischen Vorgängern und Nachfolgern einen
breiten Raum ein und enthalten, wie schon betont, zum Teil wertvolle Winke.

Die philosophische Bestimmung des Standpunktes von Sch.s ästhetischen Schrif-
ten hat, trotz gelegentlicher Heranziehung der direkten oder indirekten Einwir-
kungen anderer Denker — u. a. ist der Zusammenhang mit Shaftesbury betont wor-
den —, im allgemeinen ihren Ausgangspunkt von Kant genommen und vor allem
die Frage der Übereinstimmung oder Abweichung Sch.s von dessen System er-
wogen. Es rührt gewiß an den entscheidenden Punkt dieser Streitfrage, daß, wie
B. nachdrücklich noch einmal unterstreicht, die Grundidee der „Ästhetischen Briefe"
der Anlage nach bereits in den vor dem Studium Kants entstandenen „Künstlern"
enthalten ist. Auch Sch.s briefliche Äußerung an Jacobi (29. Juni 1794): „Da,
wo ich bloß niederreiße und gegen andere Lehrmeinungen offensiv verfahre, bin ich
streng kantisch; nur da, wo ich aufbaue, befinde ich mich in Opposition gegen
Kant", darf man mit B. als wichtiges Zeugnis heranziehen. So wird man B. völlig
darin beistimmen können, daß Sch. aus Kant nur neue methodische Formen gewinnt,
aber in seinen Grundanschauungen nicht von ihm beeinflußt worden ist. Es ist nun
das Verdienst der B.schen Untersuchung, daß sie aufzeigt, wie diese Grund-
anschauung Sch.s, die die „Ästhetischen Briefe" spiegeln, letzten Endes von Kants
Transzendentalismus wesensverschieden und vielmehr ihrer ganzen Lage nach —
worauf schon Haym, Windelband und Cassirer gelegentlich hingewiesen haben —
verwandt ist mit dem Identitätssystem, wie es später Schelling ausgebildet hat.
„Als Identitätsphilosoph wird Schiller Vorläufer der ganzen jüngeren Philosophen-
generation ... Die drei Tübinger Freunde Hölderlin, Hegel, Schelling setzten sich
mit Kant in genau denselben Jahren auseinander wie Schiller und entfernten sich
genau so weit von ihm." (S. 125.) Zusammenfassend formuliert B. in seinen
„Schlußsätzen": „Schillers philosophische Weltanschauung beruht auch in späteren
Perioden auf dem Identitäts- und Stufensystem, dessen Prinzip Schönheit heißt."
Und das Verhältnis zu Kant erfährt von hier aus die Bezeichnung: „Der Tran-
 
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