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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0203
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BESPRECHUNGEN.

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zusammengefaßt werden kann: 1. das nach übereinstimmender Annahme 1180 bis
1190 entstandene Nordportal der Schottenkirche in Regensburg- ist nur als West-
und Haupteingangsportal verständlich; der jetzige Westbau „ist im 13. Jahrhun-
dert an die Westseite angebaut worden. Damals könnte sehr wohl das Westportal
wegen der beabsichtigten Verlängerung der Kirche an die Nordseite versetzt und
an schadhaften Teilen mit Formen der weicheren, späteren Art erneuert, auch
ergänzt worden sein. Scheint aber nach technischer und ästhetischer Prüfung eine
Verlegung unwahrscheinlich, dann bleibt immer noch eine ursprüngliche Planung
als Westportal, welcher Plan aber unverändert an der Nordseite ausgeführt
wurde" (9); 2. die linke (nördliche) Seite ist als die weibliche, die rechte (südliche)
als die männliche behandelt; 3. die Grundidee, nach welcher der Reliefzyklus dis-
poniert und gestaltet ist, ist gegeben in dem Ausspruch Jesu: „Himmel und Erde
werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen" (Matth. 24, 35; Mark.
13, 31; Luk. 21, 33). Der Nachweis dieses Grundgedankens in den Portalreliefs
als des sie zu einer geistigen Einheit verbindenden Leitmotivs bildet den eigent-
lichen Inhalt des Buches.

In 30 kleineren Abschnitten bespricht und erläutert der Verfasser Glied um
Glied des mächtigen Portals, um zu zeigen, wie sie ohne Ausnahme, einschließlich
der bewußt verschiedenartigen Ornamente, jener Gesamtidee sich einfügen und
unterordnen. Der 31. Abschnitt bringt unter der Oberschrift „Die Lösung des
Rätsels" und mit Hinweis auf Abbildung 1, welche in übersichtlicher Zeichnung
die gefundene Ausdeutung des Bildwerkes wiedergibt, in wenigen Sätzen das Ge-
samtresultat, aus dem der erste Satz hier wiederholt sei: „Christus und die Apostel
über dem mächtigen Eingangsbogen geben die Aufschrift zum Gesamtbildwerk der
Torfassade von St. Jakob. Der Herr kommt zum Weltgerichte. Aber nicht der
Gerichtsvorgang ist geschildert, nicht die Scheidung der Guten und Bösen, sondern
der Untergang des Himmels und der Erde und das Los der vom Himmelreich
Ausgeschlossenen." Im Hintergrund der ganzen Darlegung steht im Sinne der
Schöpfer des Zyklus die Vorstellung, daß, während das Kirchen -Innere das
Himmelreich vergegenwärtigt und verbürgt, alles, was vor und außen an der
Kirche ist, die der Vergänglichkeit und dem Untergang geweihte Welt bedeutet.

Es ist selbstverständlich, daß Wiebel die bisherige einschlägige kunstgeschicht-
liche und theologische Forschung gründlich kennt; wichtiger noch, daß er auf zahl-
reiche verwandte Denkmäler — ich erinnere beispielsweise nur an den seltsamen
Bilderfries am Peter- und Paulsturm in Hirsau — viel aufklärendes Licht fallen
läßt. Darüber hinaus aber kommt seiner Bilderklärung grundsätzliche Bedeutung
für die mittelalterliche Ikonographie überhaupt zu, und es ist dankenswert, daß er
selbst in dem letzten (32.) Abschnitt seines Werkes in 15 Thesen die methodischen
Erkenntnisse verzeichnet, die ihm für die Auslegung der romanischen Bildwerke
grundlegend geworden sind.

So sehr ich nun meiner Zustimmung zu den Ausführungen Wiebels Ausdruck
zu geben mich veranlaßt sehe, so möchte ich doch nicht unterlassen zu bemerken,
daß nicht jede Bemerkung und nicht jede Erklärung überzeugend ist, und daß
auch jetzt noch in Einzelheiten Fragezeichen bleiben. Das bezieht sich beispiels-
weise auf ein so bedeutsames Figurenpaar wie den thronenden Mann und die ihm
entsprechende Frau in den Zwickelfeldern zwischen den Portalbogen und den
oberen Arkaden (Abschnitt 2, S. 9 ff.), die Wiebel als Adam und Eva deutet; so
einleuchtend diese Deutung an sich ist, so hält es doch schwer, sie im vorliegenden
Falle bei der Art der Darstellung der beiden Figuren, zumal des Adam, ohne Be-
 
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