Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0256
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
240

BESPRECHUNGEN.

Der 1. Abschnitt („Die Frage nach dem kunstgeschichtlichen Gegenstand")
gibt eine dialektische Erörterung, die in einer Aporie endet. Der kunstgeschicht-
liche Gegenstand kann nicht durch die Beziehung auf den-autonomen ästhetischen
Wert gewonnen werden: denn dieser ist seinem Wesen nach ahistorisch. Anderer-
seits wird die kulturhistorische Methode gerade das Eigentümliche der Kunst ver-
fehlen. Hier scheint eine Geschichtskonstruktion zu helfen, wie sie Rickert in seinem
Kant-Buch entwickelt hat. Wenn die aus einer anfänglichen Ungeschiedenheit heraus-
gehende Differenzierung der „autonomen Werte" (und damit auch des ästhetischen
Wertes) zum Sinn der kulturellen Entwicklung gemacht wird, dann vereinigt sich
auf natürliche Weise die autonome wertbeziehende und die kulturhistorische Be-
trachtung; wobei der Begriff der Autonomie, zuerst als logisch absondernde Bestim-
mung gemeint, unversehens in ein Kulturideal umschlägt. Ohne die dieser Lösung
zugrunde liegende tiefe Verwechslung klarzulegen, lehnt sie K. für seinen Zweck
ab, weil sie vor seinem methodologischen Gewissen, das nur Wertbeziehung, keine
Wertbeurteilung zuläßt, nicht standhält (S. 11). Eine weitere Besinnung auf den
ästhetischen Wert vertieft die Kluft zwischen diesem und der historischen Wirklich-
keit. Das ästhetisch erfaßte Kunstwerk als „ ,Voll-endung' eines Sinngehaltes"
(S. 11) muß aller historischen Eingliederung entrückt bleiben. „Wenn wir ein Kunst-
werk ästhetisch betrachten, dann erfahren wir an dem realen Gebilde einen in
sich „voll-endeten" Sinn. Wir müssen dabei aber alle jene Beziehungen unbeachtet
lassen, die das Kunstwerk mit der geschichtlichen Wirklichkeit verbinden" (S. 12).
So wird K. zu einem Ergebnis gedrängt, das für den, der sich von der Kunst-
geschichte Vertiefung seiner künstlerischen Einsicht erhofft, noch mehr für alle,
die etwa aus Liebe zur Kunst das Studium der Kunstgeschichte ergriffen haben
sollten, tief niederschlagend sein muß: „Ästhetisches Verstehen und historisches
Deuten von Kunstwerken schließen sich ihrem Simi nach gegenseitig aus" (S. 12).
Und: „Was den Historiker am Kunstwerk interessiert, unterscheidet sich toto genere
von dem, was der ästhetische Betrachter an demselben Kunstwerk zu verstehen
sucht" (S. 13). Man kann zweifeln, ob sich K. über die Tragweite dieser Sätze,
die die Proklamation einer „Kunstgeschichte ohne Kunst" enthalten, ganz im Klaren
ist, ob er sich bewußt hält, daß bei allgemeiner Anerkennung dieser Begriffe die
Quelle versiegt sein müßte, aus der mit Winckelmann und Herder die deutsche Kunst-
geschichte entsprang und die noch heute in ihren besten Leistungen lebendig ist.

Die Ästhetik als philosophische Wissenschaft erweist sich für K. somit als
unfähig, den Gegenstand der Kunstgeschichte anders als negativ zu bestimmen.
Der 2. Abschnitt („Kunstgeschichte als Stilgeschichte"), der das eigentlich Posi-
tive der Untersuchung enthält, findet den gesuchten Begriff auf dem Gebiete histo-
rischer Erfahrung und bestimmt ihn als „Stil". Stil ist nicht identisch mit ästheti-
scher Form und ergibt sich im Unterschied zu dieser einer theoretischen Auffas-
sungsweise. Während die Form in unmittelbarer Anschauung erlebt wird, ist Stil
„das Ergebnis einer begrifflichen Bearbeitung, die von vornherein auf einen theo-
retisch feststellbaren Zusammenhang der Kunstwerke hinzielt" (S. 18). Was für
Begriffe sind es nun, mit denen die Stilanalyse zu tun hat? Der Verfasser be-
schränkt sich hier im Wesentlichen auf eine allgemeine Angabe und einen Hinweis
an die historische Praxis. Diese Begriffe halten sich innerhalb einer „ausgespro-
chen kunstempirischen Betrachtungsweise" (S. 19), und im übrigen gelten sie als
bereits entwickelt und in fruchtbarster Weise angewandt durch die kunstgeschicht-
liche Methode, wie sie in der Wiener Schule, vor allem aber durch Wölfflin ver-
wirklicht wurde. In einer feinen Analyse der methodischen Grundsätze Riegls,
Dvoräks und in erster Linie Wölfflins, zugleich in Abwehr der weltanschaulichen
(Dilthey, Nohl) und kulturhistorisch-konstruktiven Deutung (Worringer, Strich)
 
Annotationen