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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0284
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268

BESPRECHUNGEN.

Stadien gar nicht in der Lage zu sagen, was aus Schmucktrieb und was aus meta-
physischem Bedürfnis entstanden ist und auch die Tendenz zum Ästhetischen, die
— tatsächlich wohl gleichzeitig mit der Differenzierung des religiösen Bewußt-
seins — sich von der Gemeinsamkeit urtümlicher Mentalität loslöst, gibt keine
Formel, die eine reinliche Scheidung ermöglichen würde. Jedes künstlerische Er-
zeugnis ist zugleich schöpferisch und handwerklich, zugleich ästhetisch frei und
sozial gebunden; diesen komplexen Charakter des Kunstwerks dem Betrachter
näher zu bringen, scheint mir die eigentliche Aufgabe einer Einführung zu sein,
die sich an Laien wendet. Daß er gegenüber den unzähligen Versuchen, ihn ins
Künstlerische oder Historische einzuführen, also das Kunstwerk als ästhetisches
oder wissenschaftliches Dokument zu isolieren, wieder lerne, es als ein Ganzes zu
sehen, dessen Widerspruch seine organische Totalität verrät, das scheint mir in
der gegenwärtigen Lage der Kunst und der Kunstwissenschaft die eigentliche
Aufgabe zu sein. Des Verf. Buch gleicht den vielen anderen Versuchen, denen es
überlegen ist, dennoch dadurch, daß es Laien beibringen will, Kunst künstlerisch
zu sehen, von der stillschweigenden Voraussetzung ausgehend, daß es die einzige
Aufgabe der Kunst sei, künstlerische Werte hervorzubringen. Auch hier wird die
Kunst demnach als ein Präparat behandelt, das erst seiner Natur beraubt wer-
den muß, um Kunst zu sein; ich glaube nicht, daß dem wirklichen Laien — nicht
dem verdünnten Künstler, den sich die Autoren solcher Bücher als ihr Publikum
vorstellen — mit diesem gut zubereiteten Aufguß von gestrigen Ideen ernstlich in
seinen schwersten Nöten geholfen wird.

Wien. Hans Tietze.

Heinrich Seipp, Wahres und Unwahres in Architektur und
Plastik. In: Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 265. Verlag J. H.
Ed. Heitz, Straßburg.

Die weitblickenden Verbände der Steinindustrie, denen im Vorwort für die
Unterstützung der Herausgabe des Werkes gedankt wird, werden, fürchte ich, keine
Freude an dieser Form des Mäzenatentums haben. Es ist unbegreiflich, daß ein
kunstwissenschaftlicher Verlag wie J. H. Ed. Heitz, Straßburg, eine derartig dilet-
tantische Arbeit mit seinem Namen deckt. Häufig genug haben Männer der Praxis,
ganz ohne Kenntnis der einschlägigen historischen Literatur und der fachwissen-
schaftlichen Terminologie wertvolle Beiträge zur Ästhetik und Kunstwissenschaft
geliefert. Daher werden gewiß nicht aus dem Mangel dieser Qualitäten Ein-
wände gegen die Arbeit erhoben. Im Gegenteil, — hier macht die wissenschaft-
liche Halbbildung und der plumpe Rationalismus, der sich mit völligem Mangel
an Kenntnis des Materials verbindet, die Lektüre so peinlich. Kapitelüberschrif-
ten wie „Das Blinde in der Architektur" und „Deplacierte architektonische Zier-
glieder" genügen, um den Ungeist dieser architekturästhetischen Betrachtung zu
kennzeichnen. Soweit man überhaupt verstehen kann, spricht sich der Verfasser
für das Prinzip der absoluten Materialgerechtigkeit aus und lehnt jede Zierform
ab. Die Probleme des Barock und Illusionismus, überhaupt Probleme der stilisti-
schen Wandlung sind ihm völlig unbekannt. Er hat das allein selig machende
künstlerische Rezept: „Materialgerechtigkeit" in der Hand und legt unterschiedlos
beckmessernd diesen Maßstab an die Schöpfungen aller Zeiten und Völker. Das
sachliche Resultat entspricht dem Stil und der Wortwahl.

Berlin. Paul Zucker.
 
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