Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 24.1930

DOI article:
Besprechungen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14171#0341
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
BESPRECHUNGEN.

325

sind sich darin einig, daß die Erarbeitung des Musikerfassens in Außenkonzentration
(die Geigersche Terminologie ist nirgends gebraucht) im Vordergrund der Päd-
agogik steht. Diese Art der musikalischen Erziehung dürfte also geeignet sein, den
Dilettantismus ästhetischen Erlebens, zu dem grade Musik verführt, zu bekämpfen. —
Die moderne Musikerziehung will den Wert der Musik an alle heranbringen, nicht
nur an Menschen mit an sich schon ästhetischer Lebensform. P. fordert eine Ästhe-
tik, die von der Musik ausgeht, also eine phänomenologische. Die Anfänge dazu
findet er bei Mersmann und in der Organik von Jöde. Er vertritt die heute öfter
gehörte Ansicht, daß die neu zu schaffende Musikästhetik auf Hanslick aufbauen
müsse ... Verfasser betont die Verdienste der Psychologie, die „das starre Schönheits-
bild in der Musik in befreiende Bewegung auflöste. Spannung und Energetik führen
zur eigentlichen Erkenntnis der Musikorganik." Näher auf die Forderungen einzu-
gehen, die P. an eine künftige Musikpsychologie stellt, führt hier zu weit. Es sei
nur erwähnt, daß auch er die Eingliederung der musikalischen Klangspannung in
Zeit und Raum fordert.

Bei allein geistig aktiven Musikerfassen warnt P. vor der Überspannung des
Bewußten, um die Erlebnisfrisehe nicht zu beeinträchtigen. Den Ausgleich zum
geistigen Element gibt Phantasie. Freilich eine kombinierende Phantasie, die Denk-
akte enthält (Hanslick) und der alle außermusikalischen Momente und Programme
fehlen.

P. verfällt nicht in den heute üblichen Fehler, die organische Entwicklung der
modernen Musikpädagogik aus dem Musikleben des 19. Jahrhunderts zu leugnen.
Der „Prügelknabe Romantik" erfährt bei ihm seine Ehrenrettung.

„Das Volkslied in der Schule" von H. J. Moser bringt in Dialog-
form 14 anregende Studien über das — vorwiegend ältere — Volkslied.

Der Wert des Buches liegt, abgesehen vom Musikalischen, darin, daß die Be-
handlung des Stoffes in alle Richtungen ausstrahlt, unendlich viele Fächer berührt,
und daß es dadurch in lebendigster Form den Sinn für Kulturzusammenhänge
weckt. Die Arbeit kann an dieser Stelle ebensowenig eingehend gewürdigt werden,
wie die ausgezeichnete

„M e 1 o d i e 1 e h r e" von W. Woehl. Hinweisen möchte ich aber auf die Be-
ziehungen dieser Darstellung des musikalischen Bewegungs- und Spannungsverlaufs
zu dem Lehrgang in der Graphik von Paul Klee-), der dem Verfasser vielleicht gar-
nicht einmal bekannt ist. Die Beziehung ist charakteristisch genug für Kunstanschau-
ung und Kunstpädagogik der Zeit, um die Gegenüberstellung einiger Zitate zu recht-
fertigen.

W. Woehl: P. Klee:

„Musik als Tönendes — ein Ereignis
im Raum. — Das Gesamtwerk kann
eben nur dargestellt werden durch eine
Folge von Einzeltönen, wie jede Fuß-
reise, auch die längste, nur Schritt um
Schritt zurückgelegt werden kann.

„Denn auch der Raum ist ein zeit-
licher Begriff. — Wenn ein Punkt Be-
wegung und Linie wird, so erfordert das
Zeit. Ebenso, wenn sich eine Linie zur
Fläche verschiebt. Desgleichen die Be-
wegungen von Flächen zu Räumen. Auch
des Beschauers wesentliche Tätigkeit ist
zeitlich."

») „Tribüne der Kunst und Zeit", Bd. 13, Berlin 1920 und „Bauhausbücher",
Bd. 2, Albert Langen, München.
 
Annotationen