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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0079
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BESPRECHUNGEN.

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stehende seelische Erlebnis mein Erlebnis ist, verwickeln sich für Sch.-J. die Ver-
hältnisse noch mehr: „das Ich kann sich selber gegenüber weder Subjekt noch
Objekt sein, weil es schlechterdings nur Ich ist, also nur Subjekt im engsten Sinne,
nie ein Es." Eine weitere Unmöglichkeit, zwischen „Es-Objekt" und „Ich-Objekt"
die „Seele" zu fassen, erblickt der Verfasser in der Relativität der Bewußtseins-
erlebnisse — er greift da auf Lockesche Versuche zurück —, indem verschiedene
Bewußtseinswesen der gleichen objektiven Wirklichkeit gegenüber schon ganz ver-
schiedene Erlebnisse hätten. Wie solle man durch die schon „relativen" seelischen
Erlebnisse, die sich bei der Untersuchung sofort verflüchtigten und nur physio-
logische Vorgänge als greifbaren Forschungsgegenstand zurückließen, zum eigent-
lich Seelischen gelangen? Sch.-J. weiß sich keinen Rat als die Seele überhaupt nur
eine „spekulative Idee" zu nennen, das „imaginäre Ich" und ihm gegenüber das
„imaginäre Ding für sich" beide als „Grenzbegriffe" anzusprechen — ja wir lesen
sogar von Psychischem und Physischem als Wechselbegriffen! ■— und vom eigent-
lichen Gegenstand der Psychologie zu sagen: „einen imaginären Gegenstand, der
zwar subjektiv das Sicherste, aber objektiv unzugänglich ist, weil er nicht gegeben
wird, kann man eben um der Sauberkeit wissenschaftlicher Begriffsbestimmung
willen nicht zum Gegenstand einer Wissenschaft machen." Erwiderung und Rich-
tigstellung solcher Behauptungen im einzelnen ist aus Raumrücksichten natürlich
unmöglich; unmöglich auch, näher zu begründen, inwiefern etwa aus dem Geiste
der Rehmkeschen Philosophie alle jene Schwierigkeiten sich als Scheinprobleme er-
weisen, also als Schwierigkeiten überhaupt erst garnicht entstehen. Nur soviel sei
gesagt, daß den Anstoß zu all jenen Verwicklungen die örtliche Auffassung des Be-
wußtseins gibt, die dann zwangsläufig die von rechtswegen o n t o logische Unter-
suchung des „Seelischen" psycho logisch vorbelastet und in psycho logischen
Schwierigkeiten und Widersprüchen sich verfangen läßt; Selbstbeobachtung, Selbst-
untersuchung des Bewußtseins, „Selbstbewußtsein" etwa ist wohl psycho logisch,
nicht jedoch o n t o logisch widerspruchsvoll.

Enden mithin die Untersuchungen des ersten Abschnitts unbefriedigend, so leiden
doch die Ergebnisse der weiteren nicht unter diesem Mangel. Obwohl in Dichtung
und Literaturwissenschaft es sich ja gerade um seelische Äußerungen in beson-
derem Maße handelt, werden deren bewegende Fragen durch jene philosophischen
Zweifel nicht beeinträchtigt. Sch.-J. bringt nun im zweiten Teil seiner Unter-
suchung sehr wertvolle Beobachtungen und Gedanken über Sprache als seelischen
Ausdruck bei. So beleuchtet er das Verhältnis von Wort, Laut, akustischem Erleb-
nis als Schallform — und seinem Sinn, das mit ihm Gemeinte, das mit ihm
gegebene Erlebnis. Jenes findet sich gewissermaßen verselbständigt zu „sprach-
licher Ornamentik" (Ornament = „es ist nichts damit gemeint, als was es selber
ist"), „sodaß die Betrachtung in ihm selber ruht", wie etwa bei bedeutungslosen
Kehrreimen, bei schönem Sprechen, über dem man ganz den Sinn vergißt, dieses
in der gewöhnlichen Umgangssprache, in der man nur an das mit dem Wort
Gemeinte denkt und sein akustisches, „ornamentales" Wesen völlig vergißt. Es ist
die „Brücke zu rinden, die zwischen dem bedeu t e n d e n lautlich gegebenen und
dem bedeuteten1) Erlebnis geschlagen wird und wodurch sie geschlagen wird";
es ist die Brücke „zu einem scheinbar ganz heterogenen Erlebnis".

Wichtig auf dem Wege vom Wort, vom Laut als Schallform zum Wort als
Sinnträger ist schon die Unterscheidung mehrerer elementarster Lautgebilde.
Sch.-J. unterscheidet „Impulsive" (einfache, unwillkürliche Ausrufe), „Kompulsive"
(sie „wenden sich ... an ein Objekt. Sie sind Anrufe, aber ohne signifikative Ten-

l) Von mir gesperrt.

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XX.V.

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