Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0181
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BESPRECHUNGEN.

167

den ästhetischen Gesichtspunkt verliert und sich selbst aufhebt. Seltsam: In dem
Buch „Die Welt um München", das dem Buch ,Meister und Werke' in kurzem Ab-
stand vorausging, schreibt der Verfasser von den nüchternen Domtürmen in Eich-
stätt (S. 38) — ähnliches bei Freising (S. 14, 15) —: „Die verlässige, alles schönen
Spieles noch bare Schönheit der romanischen Domtürme." Dazu die Erklärung:
„Verstehet recht: es ist nicht die „Kunst", die uns gefällt; die Kunst ist uns gleich-
gültig, und jeden Tag mehr, täglicn um so viel gleichgültiger, je besser wir sie
kennen lernen" (S. 38). In dem, was weiter folgt, tritt an die Stelle des ästhetischen
Scheins das dem Individuum, der eigenen Person zugekehrte ethisierte Symbol:
„... das Bild ... des allerersten festen Standes ... uns die Notwendigkeit leichter macht,
uns sachlich selbst zu tragen". In .Meister und Werke' tritt diese Abkehr nicht
oder kaum (z. v. S. 291 ff.) zutage. Es wird aber, wie gesagt, das Inhaltliche zur
Dominante gemacht. Alle Momente des Inhaltlichen werden folgerichtig zur Gel-
tung gebracht, und alle Gebiete werden einbezogen, auf die es sich erstrecken kann.
Der Kern des Inhaltlichen wird zum Gipfel emporgeführt, zum Ansich der Dinge
(S. 221). Und die Höhe des inneren Zustandes beim schaffenden und wirkenden
Künstler wird darin gesehen, daß er fähig sei, „aus der bloßen Anschauung her-
auszutreten und mit dem handelnden Leben das vielleicht schönere Werk einzusetzen,
wenn die ursprünglichste der Leidenschaften ihn antreibt ... die Liebe" (S. 28).
Als Beleg Jörg Ratgeb und sein Altarwerk in der Stuttgarter Gemäldegalerie.

Dieser Inhaltsästhetiker ist Hausenstein aber erst geworden. In seinem Buch
„Die bildende Kunst der Gegenwart" von 1914 hieß es, die Kunst sei weiter nichts
als Läuterung der Sache zur Form (S. 123), schärfer noch: „Es wird gesagt, und
es ist natürlich wahr, daß der Gegenstand in der Kunst gleichgültig ist. Es ist
wahr, weil die Kunst Form und nichts als Form" ... (S. 275). Und jetzt: „Der
Wert des Bildes ist nicht vollständig ohne das Schwergewicht des Gegenstandes"
(Meister und Werke S. 312). Die „andere" Kunst mag blühen mit einer absurden
Blüte als eine Kunst, die mit sich selbst spielt, also mit ihrer Formalität (S. 311). Aber
die Verflüchtigung des Bildes im Formalen (S. 302), die Verdünnung der Kunst ins
Äußerste des Formalen (S. 293) nimmt ihr die Kraft, als lebendige Substanz den
Verwandlungen des Daseins Widerstand zu leisten (S. 293), sich also als lebens-
wichtiges Glied im Ganzen des jeweiligen geistig-wirtschaftlichen Lebens zu be-
haupten. Auch für Hausensteins Soziologie der Kunst (1916) bildet gerade die
formale Gestaltung den Ausgangspunkt. Die Wandlung des Verfassers steht im
sachlichen und wohl auch im persönlichen Zusammenhang mit der Wandlung der
Kunstauffassung und der Kunstübung der letzten Zeit, irgendwie auch im Zusam-
menhang mit der verstärkten Hinwendung der Philosophie zum Objektiven und
Metaphysischen, die freilich schon die Form des Glaubens, des Gefühls, der Poesie,
der religiösen Romantik annehmen zu wollen scheint (J. Geyser, Auf dem Kampf-
feld der Logik, S. VI). Für Hausenstein kommt wohl nicht zuletzt eine dem sich
nähernde, über das Ästhetische hinausreichende innere Wandlung in Frage, die
aus den Aufsätzen zu belegen ist (S. 55, 214; 43, 25, 119; 19, 116; 24, 31, 49,
305 ff.) und von anderer Seite schon vermerkt worden ist.

Da ist es noch bemerkenswert, daß schon das nach Fertigstellung des Buches
über die bildende Kunst der Gegenwart geschriebene Vorwort mit der Zuversicht
schloß, das Buch enthalte Menschliches, und daß vom Menschlichen gesagt wurde,
es handle sich im Grunde darum vielleicht mehr als um den Inhalt von ästheti-
schen Anschauungen (S. XII).

Es seien noch Gesichtspunkte und Folgerungen vorgeführt, die sich Hausen-
stein aus dem Inhaltsstandpunkt ergeben oder die er besonders betont.

Hausenstein will unterscheiden zwischen Kunst und Bild (S. 302 ff., 275.
Z. v. auch Hausenstein, Das Bild: Zehn Atlanten zur Kunst) in solchem Sinn: Die
 
Annotationen