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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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Luther, Friedrich: Ästhetische Werte des Films
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Koch, Josef: Zur Ästhetik des Thomas von Aquin
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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0285
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BEMERKUNGEN.

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lastischen Theologen so klar bestimmt, daß die Bedeutung „Unterhaltung" nicht
in Frage kommt. Letztere hat sich wohl erst nach und nach aus der andern, frei-
lich selteneren Bedeutung von conversatio = „Verkehr" (vgl. Sap. 8,16; Dan. 2,11)
entwickelt.

Auf den letzten Seiten setzt sich Dyroff mit K ü 1 p e und einigen andern ausein-
ander, die über Thomas und seine Philosophie aburteilten, ohne sie recht zu kennen.
Dabei fallen einige Worte von erfrischender Deutlichkeit: „Weder Scheler noch
Landsberg noch Ernst Hoffmann (Heidelberg) haben sich die unerläß-
liche Mühe gegeben, Thomas aus dem großen Zusammenhang heraus zu sehen.
Selbst Heidegger, der doch über Aristoteles und gewisse Scholastiker un-
vergleichlich mehr weiß als sein absichtlich und bildungsgenetisch geschichtsblinder
Gönner H u s s e r 1, hat sich, soweit ich sehe, niemals literarisch über ein liebe-
volles Studium des Thomas ausgewiesen" (205 f.).

Sodann folgt eine nicht weniger interessante Auseinandersetzung mit M. Grab-
mann, der in seinem oben erwähnten Akademievortrag die Ästhetik Ulrichs
von Straßburg über diejenige des Thomas stellt. Dyroff faßt sein Urteil dahin
zusammen, daß jener den Aquinaten „an Breite, Emsigkeit und Intensität der Be-
schäftigung mit ästhetischen Fragen" zwar übertreffe, daß aber der weitere Blick,
der Zug ins Große Thomas zu eigen sei (S. 210 ff.).

Ich möchte hinzufügen, daß Ulrich nicht aus dem Rahmen der neuplatonischen
Metaphysik des Schönen herausgekommen ist, während Thomas von vornherein auch
Verständnis für die psychologischen Probleme der Ästhetik zeigt und in seinem
Hauptwerk sich entscheidend von der einseitigen Betrachtungsweise des Neuplato-
nikers loslöst.

Wie stark diese psychologische Betrachtungsweise des Thomas nachwirkte,
zeigen zwei Quaestionen seines Schülers Petrus de Alvernia. In seinem
letzten Quodlibet, das er 1301 in Paris disputierte, lauten die beiden letzten The-
men: Utrum harmoniae musicales sint excitativae passionum, puta raptus vel alia-
rum huiusmodi. Und: Utrum harmoniae musicae ad mores valeant seu virtutes.
Die erste Frage behandelt also die Einwirkung der Musik auf das Gefühl, die zweite
die auf den Willen. Dabei ist bezeichnend, daß Petrus nicht von der Musik im all-
gemeinen, sondern von den musikalischen Harmonien spricht. Wie die Ausführun-
gen zeigen, bildet der aristotelisch-thomistische Gedanke der Harmonie die Grund-
lage der Problemlösung. Und zweitens geht schon aus der Fragestellung hervor,
daß Petrus gewaltige Einwirkungen der Musik auf das Gefühlsleben kennt, der Art,
daß der Zuhörer in Extase (raptus) gerät.

Ich wollte hier nur auf diese Fragen hinweisen, um zu zeigen, daß die Hoch-
scholastik auch den Einzelproblemen der Ästhetik nicht fremd gegenüberstand. Die
Fragen selbst hoffe ich bald herausgeben zu können; dabei wird sich Gelegenheit
finden, deren Bedeutung im Rahmen der Geschichte der Musikästhetik zu würdigen.
 
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