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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0300
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286

BESPRECHUNGEN.

gewinnt und in kosmischem Grunde wurzelt, ist ein Gedanke, den ich bei Prof.
de Br. vergebens suche, aber auch nicht widerlegt finde. Wenn er nämlich das
„sogenannte Unbewußte" anerkennt als Faktor des künstlerischen Schaffens, so ist
in diesem Hinweis nicht ein metaphysisches Faktum, nicht die unergründliche Tiefe
des schöpferischen Wesens gemeint; und vom Geniebegriff, wie Herder ihn konzi-
piert hat, ist diese Annahme weit entfernt.

Wie sich aus der gegenwärtigen Lage verstehen läßt, hat die psychologische
Forschung einen großen Anteil an der Arbeit Prof. de Bruynes, jedoch nicht der-
art, daß der ästhetische Wert wie beim Psychologismus aus psychischen Bedürf-
nissen abgeleitet und das Schöne in psychische Faktoren aufgelöst wird. Eher wird
das ästhetische Bewußtsein dem Erkennen näher gerückt und in seiner Objektivi-
tät anerkannt. Obwohl die Erschaffung des Kunstwerks die subjektive Freiheit des
Künstlers voraussetzt, so hat doch der Subjektivismus kein Recht, nur die subjek-
tiven Faktoren des Kunstschaffens in Erwägung zu ziehen. Dieser Auffassung ge-
mäß vertritt der Autor den Standpunkt, daß in der Kunstphilosophie die nor-
mative Denkart nicht vor der empiristischen zurücktreten soll. Das Kunstwerk ist
ihm eine Stilisierung, worin das Essentielle der Wirklichkeit als Einheitsprinzip die
Formgebung beherrscht, während die individuelle Eigenart des Künstlers dieses
Essentielle in seiner Weise auffaßt. Nicht das Typische, wie es in der Wissenschaft
verstanden wird, ist die Wahrheit des Kunstwerks, sondern das Essentielle, worin
auch das Typische mitspricht, doch nur als ein Moment desselben.

Von keinem Buch ist zu erwarten, daß es in jeder Hinsicht jeden Leser be-
friedigt: Der Zweck eines Lehrbuches wie dieses ist: anregend zu sein, und auf
dem weitverzweigten Gebiet der Ästhetik einen Weg zur methodischen Besinnung
zu weisen, den Leser zu persönlichem Nachdenken und Studium zu führen. Dieser
Zweck ist in der Arbeit von Prof. de Bruyne durch Reichtum der Gedanken, durch
unparteiische Berichterstattung über antike und neuere Ansichten, durch klare
Darstellung der philosophischen und wissenschaftlichen Probleme und durch
bedächtiges Urteil erreicht. Der Student, der in niederländischer Sprache in die
Philosophie des künstlerischen Schaffens und Genießens eingeführt werden will,
wird in diesem Buche eine vorzügliche Hilfe finden.

Aerdenhout (Haarlem). Dr. J. D. Bierens de Haan.

Broder Christiansen: Die Kunst. 1930, Felsen-Verlag, Büchenbach i. Br.
260 S.

Zwei Vorzüge zeichnen die Schrift Broder Christiansens vor zahlreichen anderen
aus: seine helle, wache Bewußtheit um das, was Kunst ist, und die schöne Klar-
heit, mit der im allgemeinen jeder Gedanke vorgetragen wird. Daher vertraut man sich
gern der Führung Christiansens an. Man darf ihr sogar noch zwei weitere Vor-
teile nachrühmen: unser Autor — obgleich ihm eine recht kräftig entwickelte Selbst-
einschätzung gewiß nicht mangelt — zielt letzthin doch mehr auf das Richtige, als
auf das Originelle. Im Zitieren huldigt er einer allerdings allzu kargen Sparsam-
keit. Meine Freude, vielfach eigene Lehren (z. B. über das Naturästhetische) von ihm
bestätigt zu finden, erfährt eine gewisse Trübung durch Verschweigung des Namens.
Weiterhin ist sein Buch gekennzeichnet durch exakte, materiale Arbeit an kunst-
theoretischen Problemen, die er durch zahlreiche glücklich gewählte und feinsinnig
gedeutete Beispiele erhellt. Gerade das brauchen wir. Und in diesen Auseinander-
setzungen steckt wohl der Hauptwert des Buches, obgleich mir manche (wie z. B.
die über das Tragische) weniger gelungen erscheinen. Es wäre darum wohl zweck-
dienlicher gewesen, die Schrift unter dem Titel: „Untersuchungen zur allgemeinen
 
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