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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0408
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394

BESPRECHUNGEN.

bergs Schaffen nach der Infernokrise sei. Ich sage absichtlich Schaffen, da man in
weit größerem Umfange als Dahlström auch die nicht dramatische Produktion
hätte heranziehen müssen. Was sagt der Verfasser zu den großen historischen
Dramen nach 1898? Bis zum heutigen Tage werden diese sehr bedeutenden Schöp-
fungen nicht einmal von der deutscher Forschung voll verstanden.

Es läßt sich ja nicht leugnen, daß die ganze Herrlichkeit des literarischen
Expressionismus nicht nur überwunden, sondern auch vollständig vergessen ist,
denn es glaubt wohl niemand, daß man die Werke wieder ausgraben wird. Nur
als Versuch, als außerordentlich interessante Tendenz lebt die Richtung weiter. Sie
war in großen Werken immer da! Oder etwa nicht? Denn wie soll man sonst die
Frage beantworten: wenn der Expressionismus als Zeitrichtung zusammen
mit unzähligen Erzeugnissen gestorben ist, wieso lebt noch Strindberg? Oder ist
er auch tot? Da ich für meinen Teil dies aufs entschiedenste bestreite, bliebe also
die Frage, wieso rein expressionistische Werke den toten Expressionismus über-
leben können? Da ich nicht ganz derselben Ansicht über Strindberg als Expres-
sionist bin wie Dahlström, muß er die Antwort übernehmen.

Berlin. Carl David Marcus.

El Lissitzky: Rußland (Neues Bauen in der Welt. Bd. 1). Mit 104 Abb.
Wien 1930. Anton Schroll. 4». 103 S.

Das neue Bauen in der Sowjetunion fußt auf ganz anderen gesellschaftlichen,
geschichtlichen und ideologischen Grundlagen als in jedem anderen Staat. Nicht nur
die revolutionäre Haltung, sondern die wirtschaftlichen Zweckforderungen verbieten
jede Weiterführung der alten Bautradition, die in Rußland ja in jedem Sinn aus
zweiter Hand war. Der Aufbau einer neuen Architektur, Rekonstruktion genannt,
entwickelte sich aus ganz besonderen Bedingungen und in ziemlichem Unterschied
vom übrigen Europa, sodaß die Sonderbetrachtung Rußlands nicht nur geographisch,
sondern systematisch gerechtfertigt erscheint.

Lissitzky, selbst einer der führenden Architekten, gibt weniger einen entwick-
lungsmäßigen Abriß, sondern einen konstruktiven Aufbau nach „sozialen Aufträ-
gen", die teils in den letzten 10 Jahren verwirklicht, teils programmatische Forde-
rungen geblieben sind.

Die Keimzellen des neuen Bauens liegen bei den Malern und Gebrauchsgraphi-
kern, den Suprematisten und Konstruktivisten, die ungegenständlich in der Rhythmik
und kristallinischen Organik den Sinn für Raumgestaltung und Materialwirkung
erweckten. (Der entsprechende Entwicklungsgang für Westeuropa, besonders Hol-
land und Frankreich, liegt etwas verdeckt.) Die ersten Aufgaben für kollektive
Paläste wurden dann von einem staatlichen Forschungsinstitut gestellt, nicht von
der Wirklichkeit. Eine Schar junger Architekten mit unerhörtem Tatendrang und
umwälzenden Theorien war herangebildet, konnte sich aber meist nur auf dem
Papier austoben.

Erst die Konsolidierung der Wirtschaft lieferte konkrete Aufgaben, „eine
Synthese zwischen dem Technischen und dem Künstlerischen zu schaffen". Für den
Wohnbau ergibt sich die „Wohnhaus-Kommune", eine Gruppe von Kleinwohnungen,
durch den auch bei uns so viel diskutierten Laufgang (durchlaufenden Korridor.)
verbunden mit den Gemeinschaftsräumen für Speisen, Ruhen und Kinderspiele. Der
„synthetische Komplex" ist das angestrebte Ziel.

Als neuer Raum für Geselligkeit, Freizeitgestaltung und politische Zellenarbeit
hat sich im Zusammenhang mit dem Betrieb der Klub als soziales Kraftzentrum
gebildet. Hier ist man aus den konstruktivistischen Anschauungen heraus zu kühnen
 
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