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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0410
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396

BESPRECHUNGEN.

Weg des Alotivs über Petrarca bis zu Tizian, in dessen Bilde es die „monumen-
talste und ausgewogenste Verbindung" mit einer stoisch-scholastischen Tradition
eingeht, wird durch alle Stationen gründlich verfolgt. Dabei ist von besonderer
Wichtigkeit und vorbildlicher Bedeutung die Untersuchung der Gründe, die den
Hauptvertreter des Frühhumanismus zur Wiedererweckung des alten Sarapis-
attributes veranlaßten.

Wird mit dieser ersten Studie die „Restitution einer realen Antike" erwiesen,
so dokumentiert das eigentliche Titelthema „Hercules Prodicius" die „Rekonstruk-
tion einer ideellen Antike" durch die Kunst der Renaissance. Die Erklärung dafür,
daß die Prodicus-Fabel erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts durch den
erstarkten Humanismus zu neuem Leben erweckt wurde, während das Mittelalter sie
unbeachtet ließ, ist geistesgeschichtlich der Kern der Abhandlung. Um ihn ordnet
sich eine beträchtliche Menge wichtiger Resultate. Zunächst kann P. zwei Haupt-
formen der Darstellung des Herkules am Scheidewege feststellen, und zwar den
philostratischen Typus, der 1463 erstmalig hervortretend, in der Folge, namentlich
durch Annibale Carracci für die bildende Kunst bis ins 19. Jahrhundert verbindlich
wird, und einen zweiten Typus, der, kurzlebig und wenig verbreitet, durch die Kom-
pliziertheit des ikonografischen Problems und Beziehungen zum jugendlichen Raffael
dennoch der interessantere ist. Panofsky gelingt es, die bereits erkannte Verknüp-
fung des unansehnlichen Holzschnitts der Navis Stultifera von 1497 mit dem „Ent-
scheidung des Herkules" oder „Traum des Ritters" genannten Frühwerk des Urbi-
naten durch eingehende Analyse in ihrem verwickelten Wesen zu durchschauen und
damit die richtige Bezeichnung des Bildes als „Der Traum des jungen Scipio Afri-
canus" zu sichern und überdies in der Grazientafel in Chantilly das auch inhaltlich
ergänzende Gegenstück ausfindig zu machen. Diesem schönen Ergebnis für die
Raffael-Forschung schließen sich Fortschritte in der Dürerikonografie an. Der bis-
her unter dem Notnamen „Eifersucht" gehende Stich B. 73 wird als die originalste
bildliche Fassung der Prodicusfabel erkannt und für den Holzschnitt B. 127 der
gut begründete Vorschlag gemacht, ihn „Hercules im Kampfe mit Cacus" zu nen-
nen. Nimmt man dazu, daß auch das Verständnis von Tizians „Irdische und himm-
lische Liebe" um präzisierende Gedanken bereichert wird, so hat man eine un-
gefähre Vorstellung von dem außergewöhnlichen Ertrag dieses Buches. Die prote-
stantische Ikonografie könnte aus ihm den Anreiz entnehmen, den Einschlag zu
prüfen, den die hier behandelten Entscheidungsallegorien in den sonst ganz anders-
artigen dogmatischen Gemälden Cranachs und seiner Werkstatt vielleicht einge-
woben haben.

Essen. Heinz Köhn.
 
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