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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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Klees, Hubert: Über das Wesen des Tragischen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0027
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ÜBER DAS WESEN DES TRAGISCHEN.

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verstehen also, was es heißen soll, wenn wir sagen: die Qualität „trau-
rig" kann einem Existenzialsachverhalt der letzten Kategorie nur anhaf-
ten unter Rekurs auf ein Erlebnis in der Person. Wir können die objek-
tive Qualität gleichsam als den „sachlichen Niederschlag" unserer Stel-
lungnahme bezeichnen. Sie ist das ihr entsprechende, sachliche Korre-
lat. „Immer ist hier der Antwortgehalt diesem gegenständlichen Korre-
lat qualitativ verwandt und stellt darum nie eine ergänzende Ant-
wort auf ihn dar. Das Verhältnis entspricht vielmehr einer Wiederholung,
es wird in der Stellungnahme von subjektiver Seite aus dem Sachverhalt
das gegeben, was ihm auf der Gegenstandsseite schon zukommt"2"). In
diesen Momenten liegt ihr wesentlicher Unterschied zur reinen Wertant-
wort ausgedrückt.

Vergegenwärtigen wir uns die Beispiele einer echten Tragik, so finden
wir, daß das Tragische in seiner ganzen Fülle — im Gegensatz etwa zu
bloßen Anklängen in der Natur — nur dort auftreten kann, wo auch eine
besondere Beziehung des Geschehens zum Menschen besteht. Eine solche
Beziehung ist aber im Traurigen, das nur unter Rekurs auf ein Erlebnis
in der Person am Sachverhalt haften kann, gegeben. Dieser Grundtat-
bestand ist eine Bedingung für das, was wir „tragisches Leiden" be-
zeichnen. Das Verlierenkönnen von „objektiven Gütern für die Person"
ist die Vorbedingung für das Opfer auf sehen des tragisch Leidenden.
Wie dieses Opfer zu einem tragischen Leiden wird, wird noch zu zeigen
sein.

Dadurch, daß auch wir von dem Verlust dieser objektiven Güter be-
troffen werden können, dadurch, daß wir also die Bedeutung dieser Güter
für den andern Menschen eher erkennen und würdigen können, wird
uns erlebnismäßig ein Zugang zu dem andern Menschen geschaffen.
Es ist keine direkte Beziehung von Person zu Person, wie sie z. B. in
der Liebe besteht, sondern sie entsteht auf dem indirekten Weg über die
„objektiven Güter für die Person". Sie ist also mehr eine solidarische Be-
ziehung, die auch dem Mitleid mit dem leidenden Menschen eine eigene
Note gibt.

§ 3. Die Auflösung der objektiven Disharmonie im

Tragischen.

Damit ein trauriges Geschehen auch tragisch genannt werden kann,
muß der traurige Sachverhalt noch durch andere Qualitäten näher be-
stimmt werden. Um uns aber die unerläßlichen materialen Bedingungen
für das Tragische, soweit sie über das bloß Traurige hinausgehen, klar

29) D. v. Hildebrand, Die Idee der sittlichen Handlung-, S. 167; vgl. auch
S. 197.
 
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