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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0117
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Besprechungen.

Viktor Kühr: Ästhetisches Erleben und künstlerisches
Schaffen, Psychologisch-ästhetische Untersuchungen, Verlag von Ferdinand
Enke, Stuttgart 1929.

Der Leitgedanke des Verfassers dürfte darin zu erblicken sein, daß nach seiner
Anschauung das ästhetische Erlebnis, vor allem als Erlebnis der Kunst, zu einem
bestimmten Seelenzustand hinzuleiten hat. Dieser ist als besonderes Gefühl der
Grund der „Einheit in der Mannigfaltigkeit" des Werks und zugleich der Inhalt
des Werkes (19/20).

In der Ausdeutung dieses Zusammenhanges von gegenständlich gewordenem
Gefühl und Erlebnis bleibt der Autor bei der in Deutschland wohl kaum noch ange-
nommenen Theorie stehen, es sei ein „Analogieschluß", durch den sich dem Erlebnis
der gegenständliche Ausdruck wie alles Seelische außer uns eröffne (221, 24, 29,
57 u. ö.). Kühr bleibt allerdings nicht immer streng bei dieser sehr logisierenden
Deutung, sondern nimmt ebenso auch eine „instinktmäßige" Klarheit zuweilen an,
z. B. dafür, daß ein Mensch durch seinen Stimmklang die feinsten Nuancen seiner
Gemütsstimmung verraten kann (27). Es wäre wohl seine Aufgabe gewesen, dieses
Instinktmäßige genauer zu erklären. So ist trotz einseitiger Durchführung seiner
Analogie-Theorie, bei einer großen Fülle lebendiger Einzelbeobachtungen, seine An-
schauung im Grunde zwiespältig. Die Einsicht in das „instinktmäßige Reagieren des
Künstlers" auf einen Inhalt und in die ohne Frage vorhandenen „sozialen Instinkte"
des Künstlers bleibt beziehungslos neben der Theorie des Analogieschlusses stehen
(57). Fast nebenbei wird bemerkt, „daß diejenigen sozialen Instinkte, die bei dem
ästhetischen Erleben in ganz besonderer Form und ganz besonderem Grade be-
friedigt werden, an und für sich in letzter Instanz dieselben sind, die allem mensch-
lichen Zusammenleben überhaupt zugrunde liegen..." (66/67). Eine fruchtbare
Untersuchung dieser durchaus noch zu beweisenden Hypothese in Hinsicht auf ihre
psychologische und ästhetische Gültigkeit bietet der Verf. nicht. Wenn es die Mei-
nung des Verf. ist, „daß es gerade die sozialen Tendenzen des Menschen sind, die
den Begriff einer ästhetischen »Schönheit« überhaupt erst möglich machen" (60),
dann müßte doch zuerst einmal die Frage erörtert werden, ob ein solches ästhetisch
Schöne überhaupt möglich ist, wenn das ästhetische Erleben selbst auf einen Ana-
logieschluß aufgebaut sein soll. Ein soziales Leben ist jedenfalls nicht denkbar, wenn
man annimmt, daß die Menschen sich untereinander auf der durchaus ungewissen
Basis nur von Analogien verständigen können. Hier steht die individualistische
Psychologie an einer Grenze ihrer Problemfähigkeit, denn da, wo sie schon Ant-
worten zu haben glaubt, fängt in Wahrheit die Problematik erst an.

Die Darstellungen von Kühr führen in umsichtiger Erörterung bis an diese
Grenze heran und bieten eine Fülle interessanter Mitteilungen aus einem Schrifttum,
das uns in Deutschland sonst kaum zugänglich ist. Es kann allerdings nicht ver-
schwiegen werden, daß der Stil selbst oft sehr schwerfällig und nicht angenehm zu
lesen ist. Es kommen Sätze vor, die fast über eine Seite hingehen (38, 78,100) und
 
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