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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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Solmsen, Friedrich: Die Dichteridee des Horaz und ihre Probleme
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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0171
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DIE DICHTERIDEE DES HORAZ UND IHRE PROBLEME. 157

von literarischer Qualität; auch im Theater selbst wollen vor allem die
Augen zu ihrem Rechte kommen; sie verlangen nach groben, subalternen ?
Ergötzungen, Massenszenen, großer Pompentfaltung, Haupt- und Staats-
aktionen, deren Schwergewicht in ihrer szenischen Aufmachung liegt
usw. (Ep. II, 1, 182 ff.). Die Feinheiten des Textes, das Resultat der
dichterischen Bemühung, kommen gar nicht erst zur Wirkung, geschweige
denn, daß sie verständnisvolle Beurteiler fänden — lauter Probleme,
welche die Neoteriker auf sehr radikale Weise gelöst hatten, als sie auf
jegliche Verbindung mit dem großen Publikum verzichteten und ins Exil
der Clique fhöchteten. Man gewinnt, wenn man die horazischerT~Kla-
gen liest, für ihre Haltung Verständnis, erkennt aber gleichzeitig, in
welche geradezu tragisxhe. Lage ein Dichtertum geriet, das mit diesen
esoterischen'Tendenzen gebrochen hatte und an sich ernsthaft gewillt war,
seine Poesie wieder zumjOrgan des nationalen Lebens zu machen. — Aber
auch abgesehen von jenen Grundmängeln und Unzulänglichkeiten der
Römer gibt es genug, was einem Wirken im angestrebten Sinn hindernd
im Wege steht: engherzige Vorurteile, z. B. die nur das Archaische und
durch eine lange Distanz von der Gegenwart gleichsam Geweihte gelten (
lassen (ebd. v. 20 ff.). Der bis zur Lächerlichkeit Jibgrspannte Ehrgeiz
miteinander wetteifernder Dichter und Dichterlinge ist auch dem ruhigen ■
Gedeihen und Ausreifen einer verantwortungsbewußten Poesie abträglich
(Ep. II, 2, 20 ff.); ja in einem Briefe werden sogar die Zustände des
römischen Straßenlebens, seine tumultuöse Betriebsamkeit und das ge-
schäftige Durcheinander als Hindernisse genannt (II, 2, 65 ff.). Was im
klassischen Griechenland Wirklichkeit gewesen war, wird so in Rom Idee,
zu derdie_andersgeaxiete ^Wirklichkeit Gegensatz und Gegengewicht ist.
Die Römer erleben als Erste das Schicksal, das in stärkerem oder ge-
ringerem Grade jedem späteren Volke beschieden gewesen ist, das die
Kräfte des griechischen Geistes benötigte, um zur Form und zum Be-
wußtsein seiner selbst zu gelangen und doch nicht die ganze eigene Sub-
stanz ins Griechische einschmelzen konnte. Stets bleibt ein Erdenrest von
unverarbeiteten und unverarbeitbaren Elementen, schon deshalb, weil das
Griechische — bei den späteren Völkern: das Antike — ein Fremdes und
Anderes ist, zu dessen umbildender Herübernahme nur ein geringer
Bruchteil des eigenen Volkes imstande ist. Die Unterschiede der Bildung,
die bei den Griechen selbst ohne Belang, ja prinzipiell gar nicht vor-
handen sind, machen sich bei jeder anderen Nation mit Notwendigkeit
geltend und spalten sie in verschiedene Schichten, die zu der kulturellen
Aufgabe der Hellenisierung in verschiedenem Grade befähigt sind. Sie
sind auch der letzte Grund zu der Problematik, die Horaz zum Bewußt-
sein gekommen ist. Die Problematik ist von innerer, d. h. historischer
Notwendigkeit; ihre Dialektik ist nicht aufzuheben, am wenigsten auf dem
 
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