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FRIEDRICH SOLMSEN.
Wege, daß in der Idee Kojizessionen gemacht würden. So bleibt es auch
bei Horaz allen Erschwerungen und Beeinträchtigungen, die die Wirk-
lichkeit des römischen Lebens in sich birgt, zum Trotz dabei, daß der
Dichter im Rahmen der Volksgemeinschaft eine hohe und große Mission
hat und dieselben Episteln, die von den Hindernissen ausführlich be-
richten, arbeiten auch die Idee klar und bestimmt heraus. r2ex_Dichter ist
„nütz\MiJvx^i wie es schlicht und gleichzeitig selbstBewußt
heißt (Ep. II, 1, 124). Mitten in der Augustusepistel, die die Mißhellig-
keiten und Miseren des Dichterdaseins in Rom ausmalt, steht ein Hymnus
■ auf den wahren Dichter und sein für die Allgemeinheit segensreiches
Wirken. Nicht nur, daß er in seinem persönlichen Lebenswandel durch
seine Gleichgültigkeit gegen materielle Güter und äußere Schicksale, seine
Anständigkeit und Bescheidenheit innerhalb des allgemeinen Gewinn-
strebens und der Sittenkorruption ein erfreuliches Bild abgibt (ebd.
119 ff.); er leistet mehr: djej^uMid^
er und hat hier den entscheidenden Einfluß jFp II 1, 126).
,^Den zarten und stammelnden Mund des Knaben formt der Dichter
und lenkt schon jetzt sein Ohr von häßlichen Gesprächen ab; bald bildet
| er auch sein Herz mit wohlgemeinten Lehren, greift bessernd ein bei
\ Heftigkeit, Neid, Zorn, berichtet von trefflichen Taten, wirkt auf das
| heranwachsende Alter durch berühmte Vorbilder ein, tröstet den Mittel-
t losen und Kranken. ^
Woher sollte das des Mannes unkundige'Mädchen und der fromme'
Knabe Gebete lernen, wenn die Muse nicht den Dichter gegeben hätte?
Um die Hilfe der Götter bittet der Chor und spürt ihre Gegenwart, erfleht
mit kunstreicher Bitte einschmeichelnd die Wasser des Himmels, wendet
Krankheit ab, scheucht drohende Gefahr, erbittet Frieden und ein mit
Früchten gesegnetes Jahr. Durch das Lied werden die Götter des Him-
mels, durch das Lied die Manen besänftigt."
Die letzten Motive führen schon hinaus über die Wirkung, die dem
Dj£,htgr_als Erzieher und sittlichem Beeinflusser der Jugend zugedacht
trist Sie erneuern einen archaischen Dichterbegriff und lassen Vorstel-
fi lungen von der Zauberkraft der Lieder anklingen, die in der Frühzeit
lebendig gewesen sind. Es ist wohl kaum daran gedacht, daß der Dichter
in Rom eine jede dieser Funktionen übernehmen soll, aber die Verse
1 zeigen wenigstens, daß prinzipiell die Richtung genommen ist auf Wieder-
i Herstellung eines Dichterstandes, wie es ihn im archaischen und klassi-
schen Griechenland mit starkem, ja vielfach entscheidendem Einfluß auf
das Schicksal seines Volkes gegeben hatte.
Auch die zweite Literaturepistel spricht gelegentlich (v. 102 ff.) vom
idealen Dichter, wie er Horaz vorschwebt. Sie würdigt ihn mehr als Ge-
stalter, speziell als Sprachschöpfer und klärt sogar sein Verhältnis zu
FRIEDRICH SOLMSEN.
Wege, daß in der Idee Kojizessionen gemacht würden. So bleibt es auch
bei Horaz allen Erschwerungen und Beeinträchtigungen, die die Wirk-
lichkeit des römischen Lebens in sich birgt, zum Trotz dabei, daß der
Dichter im Rahmen der Volksgemeinschaft eine hohe und große Mission
hat und dieselben Episteln, die von den Hindernissen ausführlich be-
richten, arbeiten auch die Idee klar und bestimmt heraus. r2ex_Dichter ist
„nütz\MiJvx^i wie es schlicht und gleichzeitig selbstBewußt
heißt (Ep. II, 1, 124). Mitten in der Augustusepistel, die die Mißhellig-
keiten und Miseren des Dichterdaseins in Rom ausmalt, steht ein Hymnus
■ auf den wahren Dichter und sein für die Allgemeinheit segensreiches
Wirken. Nicht nur, daß er in seinem persönlichen Lebenswandel durch
seine Gleichgültigkeit gegen materielle Güter und äußere Schicksale, seine
Anständigkeit und Bescheidenheit innerhalb des allgemeinen Gewinn-
strebens und der Sittenkorruption ein erfreuliches Bild abgibt (ebd.
119 ff.); er leistet mehr: djej^uMid^
er und hat hier den entscheidenden Einfluß jFp II 1, 126).
,^Den zarten und stammelnden Mund des Knaben formt der Dichter
und lenkt schon jetzt sein Ohr von häßlichen Gesprächen ab; bald bildet
| er auch sein Herz mit wohlgemeinten Lehren, greift bessernd ein bei
\ Heftigkeit, Neid, Zorn, berichtet von trefflichen Taten, wirkt auf das
| heranwachsende Alter durch berühmte Vorbilder ein, tröstet den Mittel-
t losen und Kranken. ^
Woher sollte das des Mannes unkundige'Mädchen und der fromme'
Knabe Gebete lernen, wenn die Muse nicht den Dichter gegeben hätte?
Um die Hilfe der Götter bittet der Chor und spürt ihre Gegenwart, erfleht
mit kunstreicher Bitte einschmeichelnd die Wasser des Himmels, wendet
Krankheit ab, scheucht drohende Gefahr, erbittet Frieden und ein mit
Früchten gesegnetes Jahr. Durch das Lied werden die Götter des Him-
mels, durch das Lied die Manen besänftigt."
Die letzten Motive führen schon hinaus über die Wirkung, die dem
Dj£,htgr_als Erzieher und sittlichem Beeinflusser der Jugend zugedacht
trist Sie erneuern einen archaischen Dichterbegriff und lassen Vorstel-
fi lungen von der Zauberkraft der Lieder anklingen, die in der Frühzeit
lebendig gewesen sind. Es ist wohl kaum daran gedacht, daß der Dichter
in Rom eine jede dieser Funktionen übernehmen soll, aber die Verse
1 zeigen wenigstens, daß prinzipiell die Richtung genommen ist auf Wieder-
i Herstellung eines Dichterstandes, wie es ihn im archaischen und klassi-
schen Griechenland mit starkem, ja vielfach entscheidendem Einfluß auf
das Schicksal seines Volkes gegeben hatte.
Auch die zweite Literaturepistel spricht gelegentlich (v. 102 ff.) vom
idealen Dichter, wie er Horaz vorschwebt. Sie würdigt ihn mehr als Ge-
stalter, speziell als Sprachschöpfer und klärt sogar sein Verhältnis zu