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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0200
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186

BESPRECHUNGEN.

bildet das Thema dieser Erörterungen. Weil das Leben stets umgeben ist von ihm
nicht Zugehörigem, dessen es sich nur bedient, und mit dem es hantiert, kann es zu
dieser Sachcnwelt in Distanz treten, sie so aus seinem Verband entlassen; dann
findet es sich gegenüber eine Vielheit von Vereinzeltem im Neben- und Nacheinander.
Der Wille zur Herrschaft über die Natur führt dann dazu, diesem Vereinzelten und
Isolierten in der rationalen Theorie einen neuen Zusammenhang konstruktiv zu sub-
struieren, dessen „regulative Faktoren" dem primär erfahrenen Lebenszusammen-
hang entnommen sind. Bei dieser Einordnung der rationalen Erkenntnis werden
ihre Grenzen sichtbar: das Leben selber, der ursprünglich erfahrene Strukturzusam-
menhang bedarf der konstruktiven Synthese nicht, weil er selber Zusammenhang ist,
Urform aller Zusammenhänge und Quelle aller Zusammenhangsbildung; es ist wider-
sinnig, auf ihn die Synthese auszudehnen, die aus seinem Fonds ihre synthetische
Kraft und die Mittel der Konstruktion schöpft. Der konstruktive Rationalismus ist
getragen von dem Willen zur Herrschaft über die Natur, der die Gegebenheiten der
Umwelt Zerfällen muß, um sie beliebig synthetisieren zu können. Die Entwicklung
der rationalen Erkenntnis wird als ein historischer Prozeß — in dem besonderen
Sinne, den Y. damit verbindet — verstanden, so z. B. die Entwicklung vom griechi-
schen kontemplativen zum modernen konstruktiven Rationalismus (K. 199 ff. und
229 ff.). Wo der Halt an den geschichtlichen Kräften, von denen die moderne Wis-
senschaft getragen war, verloren geht, wo der „Willensdynamismus" erschlafft, ver-
fällt die Wissenschaft, endet sie in „allgemeinem Probabilismus", „verliert das Er-
kennen sein Existentialrecht" (Br. 128; K. 178ff.).

Die Philosophie Y.s tritt mit dem Anspruch unbedingter existentieller Ver-
pflichtung auf. Dieser Anspruch ist bei der Akzentuierung, die K. den christlichen
Motiven bei Y. gibt, um so eindeutiger, und K. hat ihn wohl gesehen. „Der Philo-
sophie geht es um eine Lehre vom ,richtigen' Leben, von der ursprünglichen, inner-
lich notwendigen Richtung des Lebens; sie ist keine unverbindliche, im Objek-
tiven verharrende Erkenntnis ..." (K. 160). Wenn K. trotzdem, wie er an mehreren
Stellen tut, die Möglichkeit einer anderen Daseinsposition und des Halts an
einem anderen Boden auch nur offen läßt, dann mußte er den Yorckschen Ver-
bindlichkeitsanspruch durch Hinweis auf andere und anders fundierte Lebenshaltun-
gen relativieren, und diese Lebenshaltungen gegenüber der Deutung Y.s als Vor-
stufe zum Christentum (bei der griechischen Antike) oder als Abfall von ihm als
dem wahren und echten Leben (bei der von der Aufklärung her bestimmten moder-
nen Lebenshaltung) rechtfertigen und legitimieren. Gab er einmal die Möglichkeit
zu, daß der geschichtliche Weltbegriff Y.s als allzu eng befunden werden könne
(K. 75), dann mußte er das Recht anderer Daseinspositionen mindestens diskutieren,
mußte angeben, welche anderen gegenüber der Yorckschen behauptet werden
können und worin ihr Recht ruht. Er mußte ihre Deutung als Verfall in Frage stel-
len und dieser Deutung gegenüber die Möglichkeiten anderer Interpretation minde-
stens andeuten. K. ist darauf nicht eingegangen; er hat Y. viel zu sehr als Phäno-
men genommen, mehr als es die zentralen Intentionen des Yorckschen Denkens zu-
lassen. Er hat Y. nur dargestellt, er hat ihn nicht zur Debatte gestellt.

Die geschichtlichen Bewegungen, die die Motive des Yorckschen Denkens ent-
halten, werden von K. zum Hintergrund der in seinem Buche dargestellten Lehren
Y.s gemacht, er stellt ihn auch in die philosophische Debatte seiner Zeit hinein und
zeigt, inwiefern Y. in manchem Betracht spätere Ergebnisse der Forschung voraus-
gesehen und vorweggenommen hat, z. B. in den Bemerkungen über das räumliche
Sehen und das Auge als Tastorgan (K. 142 ff.). Darüber hinaus scheinen mir die
Yorckschen Lehren auch für die aktuelle philosophische Problematik eine Be-
 
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