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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0204
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BESPRECHUNGEN.

er suchte in jedem Kunstwerk die Seele des Künstlers zu erforschen. Als das
wesentlichste Ausdrucksmittel der Malerei galt ihm die Farbe, jedoch nicht losgelöst
von dem körperlichen Gegenstand. Es wird dann gezeigt, wie für ihn die Maler mit
starker, sinnenhafter Wirklichkeitserfassung, die Maler, die am stärksten durch die
Farbe sprechen, von größter Bedeutung waren, Giulio Romano, Paolo Veronese,
Carracci und vor allem, als der Maler schlechthin: Tizian. In seiner Auffassung
Raffaels, in dem er die Verkörperung der Harmonie zwischen Gehalt und Form ver-
ehrt, wird eine interessante Verschiebung festgestellt: er sieht Raffaels Gestalten
tizianisch, er gibt seinen Gemälden eine Farbigkeit und Sinnlichkeit, die er in
Tizians Welt erlebt hatte. Michelangelo fügt sich nach der Meinung des Verfassers
in Heinses malerisches Weltbild nicht ein, er konnte ihn nicht verstehen, aber er
ahnte seine Größe und setzte ihn daher doch in die Reihe der großen Maler ein.

Zur Landschaftsmalerei hatte Heinse, wie seine eigenen Naturschilderungen be-
weisen, ein besonders lebendiges Verhältnis. Hier waren es wieder Tizian und dann
Claude Lorrain, die er bewunderte. Und in der Beschreibung von Landschafts-
darstellungen erkennt der Verfasser den modernen Zug Heinses, der ihn als einen
Vorahner des Impressionismus im 19. Jahrhundert erscheinen läßt.

Die Darstellung, der man im Ganzen etwas mehr Klarheit und begriffliche
Schärfe wünschen würde, vermittelt vor allem durch feinfühlende Einzelinterpretation
einen lebendigen Eindruck von der Eigenart der Heinseschen Natur- und Kunst-
anschauung.

Lübeck. Meta Corssen.

Martin Greiner: Das früh romantische Naturgefühl in der
Lyrik von Tieck und Novalis. (Von Deutscher Poeterey, Forschungen
und Darstellungen aus dem Gesamtgebiete der deutschen Philologie, hrsg. von
H. A. Korff, Hans Naumann, Friedrich Naumann, Karl Vietor.) J. J. Weber,
Leipzig 1930.

Sich mit der Lyrik Ludwig Tiecks zu beschäftigen — denn Novalis bleibt doch
im vorliegenden Falle nur gebetener Gast —, ist eine Aufgabe, die nicht aus sich
selbst reizen kann. So steht auch hier die Analyse Tieckscher Gedichte in höherem
Dienste. Das frühromantische Naturgefühl wird von dem Hintergrunde des Goethe-
schen abgehoben, wobei Naturgefühl als die wichtigste Ausprägung des Lebens-
gefühls überhaupt verstanden wird. Also: Frühromantik und Goethe. Die Aufgabe
bedarf keiner Entschuldigung mehr. Prüfen wir in Kürze die drei Beschränkungen,
die der Verfasser dem so formulierten Thema auferlegt, so werden wir gern zu-
geben, daß sich in der Stellung zur Natur die Gesamthaltung eines Menschen oder
einer Epoche im wesentlichen offenbart. Ich und Natur — es gibt kein Teilgebiet
der menschlichen Beziehungen, das umfassender den vorhandenen Spannungsbereich
ausdrückte. Daß hier die Lyrik als Erkenntnisgrundlage gewählt wird, ist ohne Er-
örterung zu billigen. Aber das frühromantische Naturgefühl so gut wie ausschließ-
lich durch Tieck vertreten zu lassen und es dann von hier aus „von vornherein zu
erweitern"? Der Verfasser mag das Mißliche dieser Methode erkannt haben, als er
Novalis mit in den Titel hineinnahm. Eine eingehendere Untersuchung könnte zei-
gen, daß gerade die Einbeziehung Hardenbergs das frühreife Naturgefühl nicht un-
wesentlich anders abgezeichnet hätte. Wir können hier nur im Vorübergehen auf
solche Punkte hinweisen. Es gilt bei der Betrachtung des Buches festzuhalten, daß
 
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