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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0227
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BESPRECHUNGEN.

213

Inhalt nach, Merkmale einer ungewöhnlichen Phantasiebegabung-. Das stärkste
sachliche Verdienst Reimpells um die wissenschaftliche Verwertung seiner Phä-
nomene ist in der großen Reihe von farbigen Niederlegungen seiner „Sichtgebilde"
zu erblicken, zu welchen er durch den Verfasser bewogen wurde: deren 80 in
18 Buntdrucktafeln dem Buche beigegeben sind. Es kann nicht wundernehmen, daß
hier gewisse Gemeinsamkeiten mit den von A. 1926 ebenfalls an Hand von Bilder-
material dargestellten komplexen farbigen Synopsien bestehen; diese Ähnlichkeiten
sind jedoch nicht eigentlich weitgehend, vielmehr zeigt Reimpell auch in dieser
Richtung gleichsam seine persönliche Note. Andrerseits tragen seine Niederlegungen
doch wieder nicht den Charakter rein künstlerischer Äußerung; eine ehrliche intro-
spektive Bemühung dürfte kaum anzuzweifeln sein. Der Grundcharakter dieser
Bilder, der mit den komplexen Farben-Synopsien der älteren Fälle gemeinsam ist,
erinnert, schon durch die dekorative Gegenstandslosigkeit im äußeren Sinne, an
gewisse Bestrebungen der modernen abstrakten oder „absoluten" Malerei, sehr
stark auch an mediumistische Bilder und an die Kunst der Geistesgestörten, etwa
Schizophrenen.

Der Großteil des Buchs ist nun einer gedrängten systematischen Wiedergabe
der mit Reimpell aufgenommenen Protokolle gewidmet. Als Richtlinie zu diesen
Protokollen dient ein Fragebogen von nicht weniger als 157 Punkten, nach welchem
schon bei früheren Untersuchungen A.s verfahren wurde; seine Veröffentlichung
im Druck (S. 19—24) erlaubt einen genauen grundsätzlichen Einblick in die Werk-
stätte des Autors und ist insofern für künftige Fortarbeit von besonderem Wert.
Den breitesten Raum beanspruchen im übrigen Reimpells Selbstauslegungen der von
ihm festgehaltenen Anschauungsbilder. Diese sind so ausgewählt, daß sie die
erstaunliche Universalität dieses Synästhetikers unmittelbar dartun. Von geschlos-
senen Vorstellungssystemen sind unsere 5 Vokale und die Zahlen von 1 bis 10 unter
den Gegenständen der „Sichtgebilde" vertreten; daneben steht eine doppelt auf-
genommene Reihe von zwanzig berühmtesten Komponisten des 18. und 19. Jahr-
hunderts, die in den Tafeln nicht wiedergegeben sind. Im übrigen werden die
Gegenstände der Abbildungen wesentlich von sehr komplexen geistigen Begriffen,
seltener von dichterischen oder musikalischen Vorlagen oder von Naturdingen und
konkreten Personen gebildet: hervorragende Persönlichkeiten, von Jesus Christus
bis Rudolf Steiner, besonders Philosophen und Pädagogen, dann persönliche Be-
kannte Reimpells, seine Frau, etliche mystische und ethische Begriffe wie Gut und
Böse, aber auch „Logisches" wie Anfang und Ende, Naturwissenschaftliches wie
Elektrizität und Schlaf, poetische und biblische Vorstellungen und Reminiszenzen,
Sentenzen wie „Alles ist Geist", philosophische und künstlerische Grundrichtungen,
Astrologie, „Ägyptische Kultur", die verschiedenen Menschenrassen; dann wieder
Tiere, Pflanzen und deren Geruch, Glockenläuten, ein Liedchen von der Spieldose
gespielt, — zu alledem ganze Reihen von Farb-Formen-Erscheinungen zu selbst-
gedichteten Märchen. Eine Gruppe von nicht abgebildeten Photismen betrifft außer-
dem die oben erwähnten zwanzig Komponisten, ferner das Lesen und innere Hören
einer Partitur (Schluß von „Tristan und Isolde"), wiederum ein Spieldosenstück,
und schließlich den Anblick von Personen. Auffällig ist jedenfalls, wie wenig hier
unmittelbar Sinnliches im Vordergrund steht: Synästhesien „im weiteren Sinne",
wie sie A. selbst in der oben wiedergegebenen Systematik der Synästhesien definiert
(oben Pkt. 18), geben den Grundstock ab. Wie weit freilich selbst die (logisch ge-
 
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