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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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Stockhammer, Moritz: Ästhetik und Rechtswissenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0265
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ÄSTHETIK UND RECHTSWISSENSCHAFT.

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gehend klarstellt, was das Ästhetische nicht ist. Ein deutliches Sym-
ptom für die Schwierigkeit der — darum nicht weniger unerläßlichen —
Abgrenzung der Ästhetik. In der Rechtstheorie hat K e 1 s e n unser Auge
dafür geschärft, was das Recht nicht ist und was in die Rechtstheorie
nicht eingehen kann.

Kelsen meint: „Es gilt die kritische Beleuchtung der Theologie
auf die Staatslehre reflektieren zu lassen, deren Probleme erst in diesem
Lichte sich ganz enthüllen05). In gleicher Absicht versuchten wir eine
flüchtige, gegenseitige Projektion von Ästhetik und Jurisprudenz. Eine
tiefer schürfende und erschöpfende Bearbeitung der methodologischen
Situationen in beiden Disziplinen würde außer dem mühsamen Ringen
nach Gegenstandsreinheit noch eine Fülle des Gemeinsamen entdecken
und für die Bloßlegung des beschwerlichen Ganges der menschlichen
Erkenntnis einen aufschlußreichen Beitrag liefern. Denn daß hier der-
selbe Geist nur auf zwei verschiedenen Instrumenten spielt00), möge
noch an Hand zweier Zitate illustriert werden. Der Rechtsforscher Felix
Kaufmann schreibt: „So wird etwa behauptet, ein echtes Kunst-
werk sei daran zu erkennen, daß es denjenigen gefällt, die ,Geschmack
haben', die ,etwas von Kunst verstehen' und eine ähnliche Rolle spielen
die ,gerecht und billig denkenden Menschen' in der Rechtslehre"07). Aus
dem Munde des Ästhetikers hört man die gleiche Sprache: „Der Rekurs
auf das Urteil der Kenner ist schon von Home gefordert worden . ..
Im Gebiete der Rechtsphilosophie hat man sich in analoger Weise auf
das Urteil inständiger und gerecht denkender' Menschen berufen"08).
Ob juristische Prosa, ob ästhetischer Vers: der identische Autor00) ist
deutlich vernehmbar100).

«■') Staatslehre S. 76.

>») Wie man es vornehmlich bei Herbart wahrnehmen konnte.
97) Die philosophischen Orundprobleme der Lehre von der Strafrechtsschuld,
1929. S. 24.

°8) Karl G r o o s, Ästhetik, Die Philosophie im Beginn des 20. Jahrhunderts.
S. 497.

9il) Man nennt ihn Philosophie, Logik oder Wissenschaftslehre.
10°) Soweit eine historisch-perspektivische Analogie zur Entwicklung der Ästhe-
tik statthaft ist, kann der reinen Rechtslehre keine günstige Prognose gestellt wer-
den, was natürlich ihrer logischen Bedeutung und Richtigkeit nicht den geringsten
Abbruch tut. Herbart und die formalistische Schule der Ästhetik, die sich am mei-
sten dem reinen Standpunkte annähern, haben bis heute — von unhaltbaren sach-
lichen Grundirrtümern abgesehen — den methodologischen Sieg nicht davongetra-
gen. Im Gegenteil, Herbarts „Naivität" (Paul Moos, Die Philosophie der Musik,
1922. S. 209. — Aber gerade die nachherbartische und neueste — phänomenologische
— Musikwissenschaft bezeugen Herbarts Weitblick) steht in Mißkredit: „Er (Her-
bart) hält es ... für nötig ... die weise Lehre zu geben, daß ,man in der Land-
schaft nur die Landschaft sehen (siehe unsere Polemik gegen Geiger), im Konzert
nur des Konzertes froh werden dürfe' usf. Mit solchen Trivialitäten glaubt Herbart
 
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