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BEMERKUNGEN.
Allein der Wechsel der fundierenden Elemente kann dabei nicht grundsätzlich sein.
Er muß, soll die Gestalt erhalten bleiben, ganz bestimmten Bedingungen genügen.
Bedingungen ... die mit der Gestalt und durch die Gestalt gesetzt sind." — Die
„Gestalt" als Kern des Kunstwerkes bleibt also im jeweils verkleinerten oder
vergrößerten Maßstab dieselbe, maßgeblich sind eben die Proportionen. Dennoch
wird für das Kunsterlebnis, für das produzierende Erfassen dieser Proportionen,
der konkrete Gegenstand und seine Eigenschaften, d. h. hier sein absolutes Maß,
von Bedeutung sein. Es werden die perspektivischen Verschiebungen, die sich trotz
gleichbleibender Proportionen durch Vergrößerung oder Verkleinerung des ursprüng-
lichen Maßstabs notwendig ergeben, andere optimale Distanzen für den
Betrachtenden erfordern. Desgleichen dürfen nicht jene Assoziationen und eben
Gefühlswerte außer acht gelassen werden, ■ welche mit dem Relationserlebnis des
Beschauers verbunden sind, der seine eigene Größe mit dem Format des erlebten
Kunstwerks bewußt oder unbewußt in Zusammenhang bringen wird. Es versteht
sich, daß hier nun gewiß nicht geringfügige Differenzen jene ausschlaggebende
Bedeutung für das Kunstwerk haben, sondern daß es sich um die beträchtlichen
Verschiebungen handelt, die etwa in den Zonen Kleinplastik, Lebensgröße und über-
lebensgroße Monumentalplastik gefaßt werden. Mag also das Gestalterlebnis als
Erlebnis der räumlichen Proportion durch eine Veränderung des Formats wesent-
lich unverändert bleiben, so wird sich doch andererseits jede Formkonzipierung
deswegen auf ein bestimmtes Format beziehen, weil eine willkürliche Änderung
dieser optimalen Größe die ursprüngliche Idee mindestens verschleiert (unbeschadet
der Möglichkeit einer Korrektur des Seherlebnisses in der Vorstellung, von der
z. B. die Kopie stets profitiert), wie es ja auch den Verlauf einer Melodie, d. i.
ihre Gestalt, nicht ändert, wenn sie aus einer Tonart in die andere transponiert
wird, jedoch für das bestimmte urbildliche Kunstwerk in dem Farbwert der Tonart
ein wesentlicher Faktor zu sehen ist. — Wenn also die „Dichtigkeit" einer künst-
lerischen Handschrift etwa sich pädagogisch dartun läßt (wie es gelegentlich
geschieht), durch unendliche Vergrößerung z. B. einer Radierung im Projektions-
apparat, so ist hier in der Tat nur die Spannung und Suggestionskraft künst-
lerischer Emanation abzulesen, dagegen wird das Kunstwerk als Ganzheit in
seiner eigentlichen Wirkung und in der inneren Gesetzlichkeit der Form, die ihr
eigenes Format bedingte, verwischt und aufgehoben. So sagt auch Dessoir (a. a. O.)
zu diesem Thema: „Inwieweit kommt bei der künstlerischen Umformung der Wirk-
lichkeit das vom Künstler gewählte Maß oder die von ihm hergestellte Intensität
in Betracht? ... Daß ... die ... absolute Größe des Bildes ihre ästhetische
Bedeutung besitzt, wird schon durch die Tatsache nahegelegt, daß die Vergrößerung
oder Verkleinerung eines Formates bei vollkommen erhaltener Formgleichheit einen
verschiedenen ästhetischen Eindruck hervorbringen kann ... Das Original(bild) hat
durch seine tatsächlichen Maße eine Wertnuance, die der (verkleinernden) Widergabe
fehlt." — Diese Eigenwertigkeit des Formates ist nun bei den Griechen ein klares
und gültiges Prinzip, das von der Tatsache der zahlreichen Kopien berühmter Bild-
werke nicht beeinträchtigt wird. Denn der Begriff der Kopie setzt als solcher die
Erinnerung voraus. Es wird kein neues selbständiges Kunstwerk mit den aus
seiner Konzipierung, aus seiner Idee folgenden Gesetzen geschaffen, sondern in
genauer Innehaltung der Proportionen eines ursprünglichen Kunstwerkes wird
ein solches aus zweiter Hand, gleichsam ein abgeleitetes, in einem Maßstab her-
gestellt, der aus der Zweckmäßigkeit, nicht der Eigengesetzlichkeit der Schöpfung
stammt. Damit wird dann aber auch der Anspruch auf selbständige Geltung nicht
mehr erhoben, sondern der ästhetische Genuß an diesem Werk setzt voraus die
BEMERKUNGEN.
Allein der Wechsel der fundierenden Elemente kann dabei nicht grundsätzlich sein.
Er muß, soll die Gestalt erhalten bleiben, ganz bestimmten Bedingungen genügen.
Bedingungen ... die mit der Gestalt und durch die Gestalt gesetzt sind." — Die
„Gestalt" als Kern des Kunstwerkes bleibt also im jeweils verkleinerten oder
vergrößerten Maßstab dieselbe, maßgeblich sind eben die Proportionen. Dennoch
wird für das Kunsterlebnis, für das produzierende Erfassen dieser Proportionen,
der konkrete Gegenstand und seine Eigenschaften, d. h. hier sein absolutes Maß,
von Bedeutung sein. Es werden die perspektivischen Verschiebungen, die sich trotz
gleichbleibender Proportionen durch Vergrößerung oder Verkleinerung des ursprüng-
lichen Maßstabs notwendig ergeben, andere optimale Distanzen für den
Betrachtenden erfordern. Desgleichen dürfen nicht jene Assoziationen und eben
Gefühlswerte außer acht gelassen werden, ■ welche mit dem Relationserlebnis des
Beschauers verbunden sind, der seine eigene Größe mit dem Format des erlebten
Kunstwerks bewußt oder unbewußt in Zusammenhang bringen wird. Es versteht
sich, daß hier nun gewiß nicht geringfügige Differenzen jene ausschlaggebende
Bedeutung für das Kunstwerk haben, sondern daß es sich um die beträchtlichen
Verschiebungen handelt, die etwa in den Zonen Kleinplastik, Lebensgröße und über-
lebensgroße Monumentalplastik gefaßt werden. Mag also das Gestalterlebnis als
Erlebnis der räumlichen Proportion durch eine Veränderung des Formats wesent-
lich unverändert bleiben, so wird sich doch andererseits jede Formkonzipierung
deswegen auf ein bestimmtes Format beziehen, weil eine willkürliche Änderung
dieser optimalen Größe die ursprüngliche Idee mindestens verschleiert (unbeschadet
der Möglichkeit einer Korrektur des Seherlebnisses in der Vorstellung, von der
z. B. die Kopie stets profitiert), wie es ja auch den Verlauf einer Melodie, d. i.
ihre Gestalt, nicht ändert, wenn sie aus einer Tonart in die andere transponiert
wird, jedoch für das bestimmte urbildliche Kunstwerk in dem Farbwert der Tonart
ein wesentlicher Faktor zu sehen ist. — Wenn also die „Dichtigkeit" einer künst-
lerischen Handschrift etwa sich pädagogisch dartun läßt (wie es gelegentlich
geschieht), durch unendliche Vergrößerung z. B. einer Radierung im Projektions-
apparat, so ist hier in der Tat nur die Spannung und Suggestionskraft künst-
lerischer Emanation abzulesen, dagegen wird das Kunstwerk als Ganzheit in
seiner eigentlichen Wirkung und in der inneren Gesetzlichkeit der Form, die ihr
eigenes Format bedingte, verwischt und aufgehoben. So sagt auch Dessoir (a. a. O.)
zu diesem Thema: „Inwieweit kommt bei der künstlerischen Umformung der Wirk-
lichkeit das vom Künstler gewählte Maß oder die von ihm hergestellte Intensität
in Betracht? ... Daß ... die ... absolute Größe des Bildes ihre ästhetische
Bedeutung besitzt, wird schon durch die Tatsache nahegelegt, daß die Vergrößerung
oder Verkleinerung eines Formates bei vollkommen erhaltener Formgleichheit einen
verschiedenen ästhetischen Eindruck hervorbringen kann ... Das Original(bild) hat
durch seine tatsächlichen Maße eine Wertnuance, die der (verkleinernden) Widergabe
fehlt." — Diese Eigenwertigkeit des Formates ist nun bei den Griechen ein klares
und gültiges Prinzip, das von der Tatsache der zahlreichen Kopien berühmter Bild-
werke nicht beeinträchtigt wird. Denn der Begriff der Kopie setzt als solcher die
Erinnerung voraus. Es wird kein neues selbständiges Kunstwerk mit den aus
seiner Konzipierung, aus seiner Idee folgenden Gesetzen geschaffen, sondern in
genauer Innehaltung der Proportionen eines ursprünglichen Kunstwerkes wird
ein solches aus zweiter Hand, gleichsam ein abgeleitetes, in einem Maßstab her-
gestellt, der aus der Zweckmäßigkeit, nicht der Eigengesetzlichkeit der Schöpfung
stammt. Damit wird dann aber auch der Anspruch auf selbständige Geltung nicht
mehr erhoben, sondern der ästhetische Genuß an diesem Werk setzt voraus die