DIE DICHTERIDEE DES HORAZ UND IHRE PROBLEME. 153
bei den frühen Peripatetikern, wo sie auf aristotelischem Fundamente
erwachsen war. Darum schloß er sich lieber an sie an.), v. 447 ff. wird
vom besonnenen Kunstrichter erwartet, daß er die anspruchsvollen
Ornamente beschneiden, mehrdeutige Formulierungen beanstanden und
überhaupt die Klarheit des Ausdrucks fördern wird. Dies ist in der
Überzeugung geschrieben, daß die sprachliche Form des Kunstwerkes
nicht selbstherrlich wuchern, sondern den Gegenständen, um die es sich
handelt, dienen, sie klären soll.
Setzt die horazische Kunsttheorie den Gegenstand wieder in seine
Rechte ein, dämmt sie die sglhgfsiirhfiorp Srhansfpllnng formaler Künste
ein und beschneidet sie das Rankenwerk anorganischer und letztlich
überflüssiger Ornamente, so gelangt auch eine kompositioneile Forde-
rung wieder zu ihrem Rechte, die an sich auch schon die Peripatetiker
aufgestellt hatten, die aber in der Folgezeit des öfteren ignoriert wor-
den war: die der inneren Einheit und Geschlossenheit des ganzen
Werkes, der Harmonie und Proportioniertheit seiner Teile, ihrer Orien-
tierung am Ganzen. So tritt an Stelle eines fast spielerischen Formalis-
mus_ein organischer FormbegriffT in dem im urunde sogar die iren-
nung von Form und Inhalt überwunden ist. Die Darstellung bringt
die innere Einheit des Objektes zur Geltung, ja sie erarbeitet sie eigent-
lich erst durch den Verzicht auf das Unwesentliche oder dessen an-
gemessene Relativierung. Kein buntes Vielerlei, kein Auseinanderstre-
ben von autonom gewordenen Teilen und keine verkünstelte Komplizie-
rung kann die Losung sein, sondern das simp/ex et iinum. In diesem
Punkte scheidet sich Horaz' dichterisches Glaubensbekenntnis grund-
sätzlich von dem der Neoteriker.
Die Orientierung an den Wirklichkeiten ist nur eine Art der sach-
lichen Unterbauung. Weder ist der Dichter bloßer Reporter des Lebens,
noch genügt eine vereinfachende, etwa konzentrierende Tätigkeit, um
gelebte Wirklichkeit in Poesie zu verwandeln. Den eben zitierten Versen:
respicerc exemplar etc. geht um weniges voraus ein andersartiger Ge-
danke (v. 309 ff.)
scribendi recte s a p e r e est et principium et fons
rem tibi Socraticae poterunt ostendere chartae
verbaque provisam rem non invita sequentur.
Philosophische Schulung im Wissen um das sittlich Wertvolle ge-
hört also zum Bilde des horazischen Dichters. Weisheit, Wissen um die
ethischen Normen ergänzt das Wissen um die Wirklichkeiten. Mit den
Socraticae chartae sind die platonischen Dialoge gemeint; sie stehen hier
als Prototyp moralphilosophischer Belehrung. Die sittliche Bildung des
bei den frühen Peripatetikern, wo sie auf aristotelischem Fundamente
erwachsen war. Darum schloß er sich lieber an sie an.), v. 447 ff. wird
vom besonnenen Kunstrichter erwartet, daß er die anspruchsvollen
Ornamente beschneiden, mehrdeutige Formulierungen beanstanden und
überhaupt die Klarheit des Ausdrucks fördern wird. Dies ist in der
Überzeugung geschrieben, daß die sprachliche Form des Kunstwerkes
nicht selbstherrlich wuchern, sondern den Gegenständen, um die es sich
handelt, dienen, sie klären soll.
Setzt die horazische Kunsttheorie den Gegenstand wieder in seine
Rechte ein, dämmt sie die sglhgfsiirhfiorp Srhansfpllnng formaler Künste
ein und beschneidet sie das Rankenwerk anorganischer und letztlich
überflüssiger Ornamente, so gelangt auch eine kompositioneile Forde-
rung wieder zu ihrem Rechte, die an sich auch schon die Peripatetiker
aufgestellt hatten, die aber in der Folgezeit des öfteren ignoriert wor-
den war: die der inneren Einheit und Geschlossenheit des ganzen
Werkes, der Harmonie und Proportioniertheit seiner Teile, ihrer Orien-
tierung am Ganzen. So tritt an Stelle eines fast spielerischen Formalis-
mus_ein organischer FormbegriffT in dem im urunde sogar die iren-
nung von Form und Inhalt überwunden ist. Die Darstellung bringt
die innere Einheit des Objektes zur Geltung, ja sie erarbeitet sie eigent-
lich erst durch den Verzicht auf das Unwesentliche oder dessen an-
gemessene Relativierung. Kein buntes Vielerlei, kein Auseinanderstre-
ben von autonom gewordenen Teilen und keine verkünstelte Komplizie-
rung kann die Losung sein, sondern das simp/ex et iinum. In diesem
Punkte scheidet sich Horaz' dichterisches Glaubensbekenntnis grund-
sätzlich von dem der Neoteriker.
Die Orientierung an den Wirklichkeiten ist nur eine Art der sach-
lichen Unterbauung. Weder ist der Dichter bloßer Reporter des Lebens,
noch genügt eine vereinfachende, etwa konzentrierende Tätigkeit, um
gelebte Wirklichkeit in Poesie zu verwandeln. Den eben zitierten Versen:
respicerc exemplar etc. geht um weniges voraus ein andersartiger Ge-
danke (v. 309 ff.)
scribendi recte s a p e r e est et principium et fons
rem tibi Socraticae poterunt ostendere chartae
verbaque provisam rem non invita sequentur.
Philosophische Schulung im Wissen um das sittlich Wertvolle ge-
hört also zum Bilde des horazischen Dichters. Weisheit, Wissen um die
ethischen Normen ergänzt das Wissen um die Wirklichkeiten. Mit den
Socraticae chartae sind die platonischen Dialoge gemeint; sie stehen hier
als Prototyp moralphilosophischer Belehrung. Die sittliche Bildung des