ÜBER DAS WESEN DES TRAGISCHEN.
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Der Sachverhaltswert, der z. B. darin besteht, daß ein wertvoller Gegen-
stand existiert, ist seiner Qualität nach von dem Wert des Gegenstandes
verschieden und etwas völlig Neues. Dieser Unterschied tritt dann be-
sonders deutlich hervor, wenn ein wertvoller Gegenstand zugrunde geht.
Der sich neu bildende Sachverhaltsunwert steht in scharfem Kontrast zu
dem zweiten Sachverhaltsglied, zum Sachwert. In dieser Disharmonie,
die sich aus der Forderung des Sachwerts nach Realisierung und der
Nichterfüllung dieser Forderung im (traurigen) Geschehen ergibt, liegt
die besondere Qualität des Traurigen begründet.
Die qualitative Selbständigkeit des Sachverhaltswertes wird auch da-
durch nicht berührt, daß fundierungsgesetzlich der Sachwert eine Priori-
tät besitzt.
Die Gesetze, nach denen sich der Wert, bzw. der Unwert eines Exi-
stenzialsachverhalts bildet, erfahren dadurch noch eine weitere Spezifi-
zierung, daß das sachliche Glied des Sachverhalts sowohl rein in sich ge-
nommen, als weiterhin auch noch in einem besondern Sinn für die Per-
son wertvoll sein kann. Dieser spezifizierte Tatbestand gibt sich am deut-
lichsten zu erkennen, wenn wir von der Stellungnahme her an ihn heran-
treten. Außer den Stellungnahmen, die, wie z. B. die Liebe, nur reine
Wertantworten, d. h. ausschließlich Antworten auf reine Werte sind, gibt
es auch solche, die, wie z. B. das Sichfreuen-über und das Traurig-
sein-über, Antworten auf reine Werte und auf das, was von Interesse für
mich ist, sein können27)- So verhalte ich mich rein wertantwortend, wenn
ich darüber traurig bin, daß z. B. ein schönes Kunstwerk zerstört wurde.
Ich antworte lediglich auf den Wert, der dem Kunstwerk als sol-
chem anhaftete. Jeder Wert prätendiert, realisiert zu werden. Dadurch,
daß er nicht realisiert oder statt seiner sogar ein Unwert realisiert wird,
findet diese Prätention keine Erfüllung. Durch die Nichterfüllung dieser
Forderung hängt der bestehenden Welt ein Makel an. Ihr Angesicht
wird dadurch gleichsam deformiert, und wir haben Ursache, darüber
traurig zu sein. Ein Geschehen kann schon in dieser Hinsicht traurig
sein.
Anders aber wird die Sachlage, wenn ein Wertvolles, z. B. ein schönes
Haus, das mir gehört, zerstört wird. Das Haus wird dadurch, daß es
mir gehört, zu einem „objektiven Gut für mich". Der Wert, der in der
Existenz des schönen Flauses lag, spricht noch in einem zweiten Sinn zu
-7) Die Scheidung zwischen dem reinen Wert und dem, was von Interesse für
mich ist, hat D. v. Hildebrand prinzipiell durchgeführt in seiner Abhandlung,
Die Idee der sittlichen Handlung, Sonderdruck Halle 1930. Vgl. auch v. Hilde-
brand, Die Rolle des „objektiven Gutes für die Person" innerhalb des Sittlichen,
in: Philosophia Perennis, Regensburg 1930, S. 975—995.
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Der Sachverhaltswert, der z. B. darin besteht, daß ein wertvoller Gegen-
stand existiert, ist seiner Qualität nach von dem Wert des Gegenstandes
verschieden und etwas völlig Neues. Dieser Unterschied tritt dann be-
sonders deutlich hervor, wenn ein wertvoller Gegenstand zugrunde geht.
Der sich neu bildende Sachverhaltsunwert steht in scharfem Kontrast zu
dem zweiten Sachverhaltsglied, zum Sachwert. In dieser Disharmonie,
die sich aus der Forderung des Sachwerts nach Realisierung und der
Nichterfüllung dieser Forderung im (traurigen) Geschehen ergibt, liegt
die besondere Qualität des Traurigen begründet.
Die qualitative Selbständigkeit des Sachverhaltswertes wird auch da-
durch nicht berührt, daß fundierungsgesetzlich der Sachwert eine Priori-
tät besitzt.
Die Gesetze, nach denen sich der Wert, bzw. der Unwert eines Exi-
stenzialsachverhalts bildet, erfahren dadurch noch eine weitere Spezifi-
zierung, daß das sachliche Glied des Sachverhalts sowohl rein in sich ge-
nommen, als weiterhin auch noch in einem besondern Sinn für die Per-
son wertvoll sein kann. Dieser spezifizierte Tatbestand gibt sich am deut-
lichsten zu erkennen, wenn wir von der Stellungnahme her an ihn heran-
treten. Außer den Stellungnahmen, die, wie z. B. die Liebe, nur reine
Wertantworten, d. h. ausschließlich Antworten auf reine Werte sind, gibt
es auch solche, die, wie z. B. das Sichfreuen-über und das Traurig-
sein-über, Antworten auf reine Werte und auf das, was von Interesse für
mich ist, sein können27)- So verhalte ich mich rein wertantwortend, wenn
ich darüber traurig bin, daß z. B. ein schönes Kunstwerk zerstört wurde.
Ich antworte lediglich auf den Wert, der dem Kunstwerk als sol-
chem anhaftete. Jeder Wert prätendiert, realisiert zu werden. Dadurch,
daß er nicht realisiert oder statt seiner sogar ein Unwert realisiert wird,
findet diese Prätention keine Erfüllung. Durch die Nichterfüllung dieser
Forderung hängt der bestehenden Welt ein Makel an. Ihr Angesicht
wird dadurch gleichsam deformiert, und wir haben Ursache, darüber
traurig zu sein. Ein Geschehen kann schon in dieser Hinsicht traurig
sein.
Anders aber wird die Sachlage, wenn ein Wertvolles, z. B. ein schönes
Haus, das mir gehört, zerstört wird. Das Haus wird dadurch, daß es
mir gehört, zu einem „objektiven Gut für mich". Der Wert, der in der
Existenz des schönen Flauses lag, spricht noch in einem zweiten Sinn zu
-7) Die Scheidung zwischen dem reinen Wert und dem, was von Interesse für
mich ist, hat D. v. Hildebrand prinzipiell durchgeführt in seiner Abhandlung,
Die Idee der sittlichen Handlung, Sonderdruck Halle 1930. Vgl. auch v. Hilde-
brand, Die Rolle des „objektiven Gutes für die Person" innerhalb des Sittlichen,
in: Philosophia Perennis, Regensburg 1930, S. 975—995.