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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

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Novotny, Fritz: Das Problem des Menschen Cézanne im Verhältnis zu seiner Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0291
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DAS PROBLEM DES MENSCHEN CEZANNE.

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So besinnt sich im Werk Caspar David Friedrichs — und deswegen
wurde es hier in Vergleich gezogen — am Beginn einer neuen, und der
größten, Epoche der europäischen Landschaftsmalerei der Mensch wie-
der auf die Landschaft, die Betonung ist aber auf beides zu legen: auf
die niemals vorher in gleicher Vielfalt beobachtete und nach gleichen
Tiefen untersuchte Naturerscheinung der Landschaft, aber auch auf das
beobachtende Subjekt. In der Kunst Cezannes, dem Endpunkt der Ent-
wicklungsreihe dieser Landschaftsmalerei, ist jede Art von Romantik
und Stimmung, kurz alles im weitesten Sinn Anthropozentrische besei-
tigt, wie es auch in der Kunst des Impressionismus noch enthalten ist.
Eine in dieser Hinsicht tiefere Verschiedenheit trennt die Anschauungs-
form Cezannes vom Impressionismus als diesen von der Naturerfassung
Caspar David Friedrichs, der entwicklungsgeschichtliche Weg von der
Lyrik der Landschafter aus dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts
zum Impressionismus führt nur zu einer Unpersönlichkeit und ver-
allgemeinernden Grundsätzlichkeit der Darstellungs mittel und damit
zu einer Divergenz, die vordem nicht bekannt war: dort ist es dieselbe
eindringende Sorgfalt und Liebe, die die Form des Einzelobjektes wie
der Gesamterscheinung des Kunstwerkes bestimmen, im Impressionis-
mus trifft die im Grundsätzlichen entpersönlichte, verwissenschaftlichte
Darstellungsart (eine selbstverständlich auch an sich schon künst-
lerische „Projektionsform") mit Gestaltungsideen zusammen, die ihr
ihrer Natur nach widersprechen und sie, die von vornherein wenigstens
in der Absicht zum Ausdruck eines Stimmungs- oder Ideengehaltes un-
geeignet ist, doch einem solchen dienstbar machen. Dadurch kommt es zu
der oben erwähnten scheinbar widerspruchsvollen Eigenschaft, daß in
der impressionistischen Kunst das gestaltende Subjekt um so stärker
fühlbar ist, je konsequenter die „Objektivierung" der Darstellungsmittel
durchgeführt ist. Der unendlichen Zahl möglicher Beziehungen zwischen
Mensch und Landschaft und ihrer Gestaltungen in der vorangehenden
Malerei steht in der Kunst Cezannes die Beziehungslosigkeit
zwischen Natur und menschlicher Empfindung gegenüber.

In der Tatsache, daß es sich hier um eine Unpersönlichkeit des Ein-
zelnen handelt, ist zugleich der enge Zusammenhang dieser Eigenschaft
mit dem zweiten der hier als bedeutungsvoll für die Erkennntnis des
Menschen Cezanne hingestellten Elemente begründet, mit dem Ver-
standesmäßigen seiner Kunst, genauer: dem Anteil des Bewuß-
ten, Programmäßigen, zu Verallgemeinerung in Prinzipien Geeigneten
und Verlockenden. Die Entwicklung der Malerei seit Cezanne hat ge-
zeigt, daß die Gefolgschaft Cezannes nicht die erweiterte Anwendung
neuer, von ihm entdeckter Gestaltungsprinzipien bedeutet, daß eine über
bloßes Nachahmertum hinausgehende Verwertung der künstlerischen
 
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