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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 33.1939

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Passarge, Walter: Zur Stellung des Kunstwerks im Aufbau des objektiven Geistes: Bemerkung zu: Hans, Freyer, Theorie des objektiven Geistes
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https://doi.org/10.11588/diglit.14216#0030

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16

W. PASSARGE

Neben die Kategorie „Gerät" stellt Freyer den Formtypus „Zeichen".
Dieser Typus hat mit dem Gerät „von vornherein eine grundlegende
Eigenschaft gemeinsam: „Auch sein Sinngehalt weist über sich selbst
hinaus." „Das Zeichen hat seinen unmittelbaren Bedeutungsgehalt, aber
über ihn hinaus, vielmehr durch ihn hindurch weist das Zeichen auf
einen Gegenstand hin." Von den einfachsten Abzeichen, Eigentumsmarken,
Meisterzeichen usw. bis zu den komplizierten Systemen der Schrift reicht
dieser Bezirk der Zeichen, deren Wesen uns darin zu liegen scheint, daß
sie etwas Nicht-Anschauliches, eine Beziehung, einen geistigen Gehalt,
einen Begriff usw. sichtbar machen.

In diesen „Hinweisen auf ein anderes" unterscheiden sich nun — nach
Freyer — die beiden genannten Formtypen von einem dritten, den er
als „Gebilde" bezeichnet. Das Wesen des „Gebildes" erblickt Freyer darin,
daß sein „Sinngehalt nicht wesentlich auf einen Sinngehalt als auf sein
Korrelat hinweist, sondern für sich selbst vollständig ist, ohne nach außen
führende Relationen. Reinstes Beispiel für diesen ... Formtypus ist das
Kunstwerk".

Diese Einordnung des Kunstwerks ist für uns von entscheidender Be-
deutung. Ist das Kunstwerk wirklich ein „in sich selber vollständiges
Gebilde, dessen Teile nur nach innen weisen und dessen Sinngehalt eine
selbstgenugsame Einheit bildet"? Freyer weiß sehr wohl, daß viele Kunst-
werke über sich hinaus auf etwas anderes hinweisen — wie z. B. das
künstlerisch gestaltete Plakat — oder einem bestimmten Zwecke dienen
— wie z. B. ein kunstvoll geformtes Möbel. Solche Kunstwerke gehören
nun seiner Ansicht nach nicht in den Bereich der „reinen Gebilde": das
Plakat — „mag es noch so künstlerisch sein", ist für ihn Zeichen, das
Möbel — mag es „ein Kunstwerk" sein, ist für ihn Gerät. „Jene Kunst-
werke, die in irgend einer Form von Dienstbarkeit in Zweckzusammen-
hänge des Lebens eingefügt sind, sind eben darum nicht reine Gebilde
in unserem Sinne." „Daß sie Gebilde sind, ist in ihrer Form eine kate-
goriale Komponente unter anderen." —

Diese Bestimmungen sind, rein logisch-systematisch betrachtet, durch-
aus einleuchtend. Gehen wir nun aber die Geschichte der bildenden Künste
durch und fragen wir, welche Werke als reine Gebilde im Sinne Freyers
anzusehen sind, so müssen wir sagen: so gut wie keine. Zunächst ge-
hört grundsätzlich das gesamte Gebiet der angewandten Kunst — Bau-
kunst, Kunsthandwerk und Kunstindustrie — grundsätzlich dem Form-
typus Gerät an. Aber auch weite Gebiete der darstellenden Künste —
Malerei und Plastik — fallen dann nicht mehr unter die Kategorie „Ge-
bilde". So sind alle Schöpfungen religiöser Bildkunst — d. h. also ein
sehr großer Teil aller darstellenden Kunst überhaupt — nicht selbst-
genugsame Gebilde, sondern bildhafte Zeichen, da sie — wesentlich! —
 
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