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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 33.1939

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Kanthack-Heufelder, Katharina: Idee und Form im Werke Knut Hamsuns
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https://doi.org/10.11588/diglit.14216#0217

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IDEE UND FORM IM WERKE KNUT HAMSUNS

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wird ein objektisches Novum geschaffen, das aber noch nicht das letzte Ziel
der künstlerischen Absicht darstellt.

Jene gegenständlichen Daten sollen jetzt vielmehr den genießenden
Menschen veranlassen, ein Phantasieerzeugnis zu gestalten, das mit
ihnen selbst verschmilzt.

Auch der Genießende produziert. Es sind mehr als bloße
Assoziationen, die er den sinnlichen Faktoren hinzufügt, es ist eine
durchaus schöpferische Resonanz in ihm vorhanden.

In der Eigentümlichkeit der Daten aber liegt es begründet, daß diese
Produktion eine geleitete ist. Daher vollzieht sie sich — in den mei-
sten Fällen — so sanft und mühelos, daß sie nicht eigentlich mehr
als Produktion ins Bewußtsein fällt, sondern den Schein kontemplativer
seelischer Passivität bekommen kann.

So ist der ästhetische Gegenstand zwar durch objektive Momente mit-
begründet, erscheint aber erst völlig als solcher, wenn er durch subjektive
Züge ausgestaltet wird. Er wird im Genuß aus objektiven Anlagen er-
arbeitet.

Diese unsere Wesensdeutung des ästhetischen Phänomens steht in
der Mitte zwischen einem ausschließlichen Objektivismus und einem
reinen Subjektivismus. Vom Umkreis erkenntnistheoretischer Begriffe
her könnte sie etwa durch den Terminus „Zeichenrealismus" gedeckt
werden, allerdings nur in übertragenem Sinne. Denn wenn hier von einem
objektiven Vorhandensein ästhetischer Züge die Rede ist, so ist damit
über die ontische Bedeutung dieser Züge absolut nichts ausgesagt. Es
ist ja von einer Beziehung zum ästhetischen Erleben, nicht aber
zum theoretisch-erkennenden die Rede.

Wenn nun dem auffassenden Bewußtsein eine partiell konstitutive
Bedeutung für die Schaffung des ästhetischen Gegenstandes zuerkannt
wird, so muß es zuletzt die eigene Phantasie des Betrachters sein, die
das noch nicht gänzlich durchwirkte Gewebe der Daten mit leuchtenden
Fäden durchzieht. Hinter dieser Phantasietätigkeit aber steht wieder, sie
allein ermöglichend und tragend, die schwer analysierbare Mannig-
faltigkeit der ausgelösten Gefühlsregungen, die sich im Vorstellen ent-
laden wollen. Durch die Daten des ästhetischen Gegenstandes wird diese
Vorstellungstätigkeit des Betrachters gleichsam gebändigt und bis zu
einem gewissen Grade normiert und wirkt sich nun aus in der Umklei-
dung des Datengerüstes. Von den Komponenten aber, aus denen die
eigentümliche Gefühlsstruktur der individuellen Persönlichkeit zusam-
mengesetzt ist, hängt es ab, ob die objektiv-ästhetischen Momente über-
haupt zur Wirkung gelangen können, und weiter, w i e der auf Grund
ihrer Forderungen geformte Gegenstand beschaffen ist.
 
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