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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 33.1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.14216#0277

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BESPRECHUNGEN

263

Kochkunst mit der bildenden Kunst und Musik als künstlerische Leistung in eine
Reihe rückt, wird man auch vom psychologischen Standpunkt schwerlich zustimmen,
vielmehr ein psychologisches Unterscheidungsmerkmal herausfinden können (s. u.).
Ebensowenig ist in Tanz und Akrobatik die alleinige oder bedeutsamste ästhetische
Wirkungsmöglichkeit der von St. auseinandergehaltenen verschiedenen Körperempfin-
dungen (Hautsinn, Muskelsinn und Gelenkempfindungen) zu erblicken, sondern eine
weit höhere in ihrer Beteiligung am plastischen Schaffen.

Durch das Eingehen der Sinnesempfindungen in „Gestalten" erhöht sich der ästhe-
tische Eindruck der Wohlgefälligkeit, was nach St. aus der Mitwirkung übergreifender
zentraler Funktionen, vor allem der Aufmerksamkeit und der Einheitlichkeit des Wahr-
nehmungsakts zu erklären ist. Auf dieser von den Bestandteilen unabhängigen Ganz-
heit beruht eben im psychologischen Sinne alle Gestaltauffassung. Sie ist aber nicht nur
subjektiv mehrdeutig, sondern wenigstens z. T. auch von einem Sinnesgebiet auf andere
übertragbar, also „zwischensinnlich". Von den sechs Abschnitten des zweiten Kapitels
sollte sich m. E. diesen im ersten enthaltenen allgemeinen Bestimmungen gleich der
dritte von Raum- und Zeitanschauung handelnde anschließen. Denn es bleibt be-
fremdlich, daß R. u. Z. den Gestalten selbst zugerechnet werden, während sie
eigentlich nur durch solche gestaltet und an ihnen erlebt werden können. Muß doch
auch die Psychologie sie als das gesamte Sinnesleben umfassende Kategorien des
Bewußtseins gelten lassen. Auch erscheint es mir besser, von Zeit- und Raumvorstel-
lung zu sprechen, da die Anschauung in der ersteren allein nicht unmittelbar gegeben
und so im letzteren auch nur in zweidimensionaler Darbietung erlebbar ist. Gewiß
unterscheidet St. mit Recht die ästhetischen Werte des leeren und des erfüllten (körper-
haften) Raumes und kennzeichnet sie treffend, ihre Gefühlswirkungen entspringen
jedoch im Grunde nicht den künstlerischen Wirkungsformen, sondern eben den Di-
mensionalgefühlen des menschlichen Organismus, die durch die Anschauung ange-
regt werden, wie schon Schmassow s. Zt. aus reiner Intuition erkannt hat, — also
den auch von E. Mach festgestellten Wechselbeziehungen zwischen Seh- und Tast-
(bzw. Bewegungs-)raum. Daß die Zeitvorstellung aus inneren Organempfindungen
entsteht, — Atmung und Herzschlag wurden schon von Schm. zum zeitlichen Raum-
erlebnis in Beziehung gesetzt — geht, wie St. bestätigt, aus der scheinbaren Be-
schleunigung von Schalleindrücken in Krankheitszuständen hervor. Darauf be-
ruhen die ästhetischen Wirkungen des Tempo in der musikalischen Gestaltung.
Aber wie der Zeitablauf in Wissenschaft und Leben an Seheindrücken gemessen wird,
so verbindet er sich auch in der Kunst mit der Anschauung zur Bewegungsvorstel-
lung, die sich psychologisch aus der (unbewußten) Zusammenfassung zweier Wahr-
nehmungsakte erklärt, und wird dadurch auch für die Raumkünste (einschl. des
Films) zum ästhetischen Gestaltungsmittel. — Die im zweiten Abschnitt vorweg-
genommenen einheitlichen sinnlichen Gestalten der Farben- und der Tonempfindungen
verteilen sich hingegen als Träger künstlerischer Gebilde auf die Sonderbereiche
von Raum- und Zeitvorstellung. Für die wohlgefällige Verknüpfung der ersteren
untereinander ergibt sich die Eigengesetzlichkeit aus den Abständen der Einzel-
farben im Farbenkreise und, wie ich hinzufügen möchte, aus ihrer Zusammen-
gehörigkeit im Farbkörper Ostwalds, durch den auch nach St. die Farbenlehre
ihre abschließende Fassung gefunden hat. Die gleiche grundlegende Rolle kommt
in der Musik den Intervallen und Tonleitern zu, über deren weit über das
diatonische System Europas bis in die Mikromelodik und -harmonik der älteren
Kultur- und der Naturvölker zurückreichende Bedeutung er uns aus breiter Be-
herrschung der musikpsychologischen Forschung unterrichtet. Das auf beiden
 
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