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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 33.1939

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Mutius, Gerhard von: Sankt Georg und Sankt Sebastian
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https://doi.org/10.11588/diglit.14216#0334

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Überstellung noch weitere Geheimnisse zu entlocken, an die wir uns nur mit dem
Wort und dem Gedanken herantasten können.

Sankt Georg und Sankt Sebastian stehen hier neben einander als die Vertreter
des Guten und des Schönen. Das Gute findet seinen stärksten Ausdruck im guten
Willen. Der gute Wille aber ist ein Kämpfer mit allen Ungeheuern der Welt. Er
muß den Harnisch der Unnahbarkeit und Abgeschlossenheit tragen und gewappnet
sein gegen die Pfeile und Feuer des Bösen. Sein Werk ist niemals zu Ende getan.
Er steht in der schlimmen Welt des Demiurgen, wo Kampf das Gesetz des Lebens
und der Krieg der Vater aller Dinge ist. Sebastian aber hat bereits überwunden.
Auf ihn fällt der Schimmer der Vollendung. Die Pfeile durchbohren nicht mehr den
schönen Leib. Sie sind nur noch wie ein Zeugnis des Erlittenen in einem Köcher ge-
sammelt. Hier ist der Endsieg errungen.

Beide sind sie Ritter und Helden! Aber Sankt Georg sucht den Drachen auf, um
ihn zu erlegen. Er verkörpert den Angriff der heroischen Tat. Sebastian ist der
junge Märtyrer, der Christusbekenner unter den römischen Soldaten, der unter ihren
Pfeilen verblutend nicht von seiner großen Liebe zu dem gekreuzigten Bruder und
Freunde weicht. Er ist der Held des Leidens. Aber die Welt vergißt es immer wieder,
daß der Weg der Leiden nicht weniger heroisch ist, als derjenige der Taten, daß
Leiden adelt, daß es immer wieder neue Liebe bringt, daß in ihm ein höchstes Tun
beschlossen sein kann. Etwas von alledem, von der Zusammengehörigkeit des Leidens
und des Tuns, von dem Wechselbezug männlicher und weiblicher Daseinskräfte, von
ihrem Wettkampf um die Krone des Lebens klingt in jener Zwiesprache zwischen
dem gepanzerten und dem nackten Jüngling auf dem Bilde des Rubens an.

Ein deutsches Gedicht, an dem man nicht leicht auslernen wird, weil es immer
wieder neue Perspektiven eröffnet, bringt auch die Gedanken- und Gefühlswelt, die
unsere Gruppe umwittert, zum vollendeten Ausdruck. Man versuche es einmal,
Schillers „Ideal und Leben" als Begleitmusik zu jenem Gespräch der beiden ritter-
lichen Heiligen zu lesen.

„Jugendlich, von allen Erdenmalen
Frei, in der Vollendung Strahlen"

steht Sebastian vor uns. Sankt Georg aber „rang mit Hydern und umarmt den Leuen".
 
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