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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Firmenich-Richartz, Eduard: Ein Madonnenbild nach Dürers Vorlagen von Marinus van Roymerswale
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0014

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Abhandlungen.

Ein Madonnenbild nach Dürers Vor-
lagen von Marinus van Roymerswale.

Mit Tafel I.

ie Reisen genialer Künstler sind
nicht bloß für deren eigenes
Schaffen ertragreich; während
sie in raschem Wechsel bei
der Betrachtung einer neuen
landschaftlichen Umgebung und fremden Volks-
tums manche wertvolle Anregung schöpfen,
streuen sie auch die Goldkörner ihrer Er-
findungen aus und spenden aus dem Schatze
ihrer technischen Erfahrungen. Der kurze
Aufenthalt des Jan van Eyck auf der iberischen
Halbinsel, welcher die Einfuhr seiner Werke
förderte, gab dortigen Malern eine feste Rich-
tung; Roger hat in Ferrara einen Schüler
herangebildet, Anton van Dyck in Genua Nach-
folger gefunden, ebenso wie Velasquez mit
seinem Papstbild der Galerie Doria den römi-
schen Portraitisten des XVII. Jahrhunderts ein
unerreichbares Vorbild vor Augen stellte. Unser
Albrecht Dürer, der nach eigener Forderung
„inwendig voller Figur" war und es vermochte,
„aus den inneren Ideen allweg etwas Neus
durch die Werk auszugiessen", konnte wohl
mit der Fülle seiner „Gesichte" eine ganze
emsig sich mühende Malergeneration versorgen.
Der Einfluss seines Schaffens reicht weit
über die Heimat hinaus, seine Kupferstiche
und Holzschnittfolgen befruchteten früh schon
durch die eindrucksvolle Vergegenwärtigung
biblischer Ereignisse, die dichterische Ausge-
staltung von Szenen jeder Art und den intimen
Ton der Erzählung die Vorstellungskraft an-
derer Künstler. Man entnahm diesen Blättern
gern jene temperamentvollen Charakterköpfe, be-
redten Gebärden, wirksamen Motive, sowie ein-
zelne knorrige Gestalten in bizarrem Aufputz;
selbst bei Raffael (b Spasimo di Sicilia) und
Andrea del Sarto (Fresken im Scalzo zu Florenz)
finden sich solche Anleihen. *) Die Niederländer

') Aus Venedig schreibt Dürer am 7. Febr. l.r>06
an seinen Freund Willibald Pirkheimer: «..Ich hab
viel guter Freund unter den Walchen, die mich war-
nen, daß ich mit ihren Moleren nit eß und trink.
Auch sind mir ihr vill Feind und machen mein Ding
in Kirchen ab und wo sie es mügen bekummen.
Noch schelten sie es und sagen, es sei nit antikisch

haben häufig ganze Konipositionen, z. B. die
heilige Dreifaltigkeit, Madonnen, Passionsbilder,
Szenen des Marienlebens aus dem markigen
Zeichnungsstil Dürers in eine weichere male-
rische Darstellungsart mit buntem Farbenglanz
transponiert.

Die Aufnahme, welche der Nürnberger
Meister auf seiner Reise nach den Niederlanden
1520/21 bei den dortigen Berufsgenossen fand,
beweist die hohe Schätzung und Verehrung,
die sie seinem Genius entgegenbrachten.

Mehr noch wie seine „Kunstware", die
Dürer damals mit sich führte und durch eigenen
Betrieb verbreitete, wirkten auf die Maler bei
näherem persönlichen Verkehr die zahlreichen
Portraitaufnahmen, Studien in Kohle und Stift-
zeichnungen, sowie vereinzelte Gemälde, die
man dort entstehen sah, gerade durch ihre
Unmittelbarkeit und Energie der Auffassung als
Emanationen einer überragenden Schaffenskraft.

Der oberdeutsche Forscher und Grübler
mit seiner wohlersonnenen, durchempfundenen
Kunst stand hier mitten in dem Strom einer
gewaltigen Produktion, die, auf eine bedeutende
Vergangenheit gestützt, die Öllasurmalerei zur
höchsten Vollendung ausgebildet hatte. Der
Reichtum des Handelsvolkes zeitigte eine solide
Prachtliebe, sein reger Sinn pflegte einen ver-
feinerten Geschmack; neben frischer Weltlich-
keit blühte, getragen von eifriger Devotion,
auch eine vielseitig fesselnde religiöse Kunst.

Im Gegensatz zu den Andachtsbildern der sich
auslebenden Malerschule von Brügge in dem
ruhigen Gleichmaß der schlichten Gruppierung,
dem Ausdruck sanfter Milde in den regelmäßigen,
typischen Köpfen strebte in Antwerpen Quinten
Massys (t 1530)2) nach weit schärferer Er-
fassung und Durchbildung mannigfacher Cha-
raktere. Seine Gestalten wuchsen zu monumen-
talem Maßstab empor, und auch in kleineren
Flächen begnügte er sich lieber nur mit groß-
gesehenen Brustbildern und Halbfiguren, ehe
er zu den zierlichen Existenzbildern von gleich-
mäßiger Idealität, den statuarischen Heiligen
zurückkehrte. In seinen Werken pulsiert ein
intensives Leben. Das Wesen aller Personen,

Art, dorum sei es nit gut.« Lange- Fuhse,
»Dürers schriftl. Nachlaß« (Halle 1893).

2) Dr. Walter Cohen, »Studien zu Quinte»
Metsys« (Bonn 1904).
 
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