Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

DOI Artikel:
Beissel, Stephan: Miniaturen aus Prüm, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0024

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
21

1906.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

um ihre Tränen zu trocknen. Die Unterschrift
lautet: Virgo plorans. Die letzte Miniatur mit
der Unterschrift Puella turbata zeigt bei einer
Sequenz zu Ehren hl. Jungfrauen eine weise
Jungfrau, welche, mit gefalteten Händen unter
einem Bogen sitzend, über die Schwierigkeiten
ihrer Aufgabe erschreckt ist.

Die Miniaturen sind mit Deckfarben aus-
geführt, Lichter durch breite Farbflecken oder
durch dünne Striche angedeutet. Gold wurde
nur bei einigen Nimben und Verzierungen ver-
wendet. Köpfe sind rotbraun konturiert und
schattiert, Pupillen, Nasenlöcher und Mund-
-winkel schwarz. Schwarz sind
auch die Umrißlinien der Nim-
ben und Architekturen. Wo
Farben sich abblätterten, tritt
die in feiner, hellbrauner Zeich-
nung ausgeführte Skizze der
Bilder hervor. Der Maler
wendet Verzierungen zur Um-
rahmung seiner Miniaturen in
verschiedenartigen Formen an:
Mäander oder bandartige Or-
namente, aneinandergereihte
halbe Scheiben, Quadrate oder
Blätter. Die Kleider besetzt er
häufig mit Punkten, von denen
ermehrerezusammensteHt(vgl.
Abb. 2 und 3), dann durch
Blumen und Kränze (vgl. Abb.
1 > 5 und 6). Marias Oberkleid
ist bei der Heimsuchung mit
goldenen, lilienartigen Blüm-
chen, Kreuzen und roten
Punkten übersäet. Ob die über ihre Bahre und
Leiche gestreuten Blumen an jene Rosen er-
innern sollen, welche die Apostel später im
leeren Grabe fanden, ist nicht klar.

Der Miniator hat offenbar alte, wohl aus
Italien stammende Vorlagen benutzt, von
byzantinischen Einflüssen aber sich fast ganz
frei gehalten. Ist doch z. B. Maria im Bilde
der Verkündigung ohne Spinnrocken dargestellt.
Die an byzantinische Bilder erinnernde Mi-
niatur des Todes Maria stützt sich auf Legen-
den, die, wie Anm. 11 zeigt, schon Gregor
von Tours kannte. Daß mehrere Szenen in
auffallender Weise an Regensburger Buch-
malereien erinnern, wurde bereits bei der Be-
schreibung des Weihnachtsbildes gesagt.

Abb. 7. Der hl. Laurentius
(Aus dem Tropar von 1'rüni.)

Vergebens sucht man Anzeichen einer Ver-
bindung zwischen den Abteien Reichenau und
Prüm. Heinrich IL hatte im Jahre 1006, also
nach Vollendung dieses Tropars, den in
Reichenau neuerwählten Abt Heinrich abgesetzt
und Immo, Abt zu Gorze in Lothringen, einen
Mönch aus Prüm an dessen Stelle gesetzt. Doch
ernannte er nach zwei Jahren 1008 einen anderen
Prümer Mönch, Benno, zum Vorsteher der Rei-
chenau. 1T) Eine Verbindung mit der Schreib-
stube der Reichenau tritt nicht einmal später ein.
Unter Abt Ruopert von Prüm (1056 bis 1063)
schrieben Prümer Mönche nicht nur für die
Abtei St. Maximin bei Trier die
Dialoge Gregors des Großen18),
sondern auch ein mit zehn
Miniaturen versehenes Lek-
tionar. Letzteres, jetzt im Be-
sitz des Lord Crawford, ist
von Keuffer beschrieben wor-
den. 19) Es setzt die im Tropar
hervortretende Art der Zeich-
nung und Farbengebung eben-
sowenig fort als die in der
Reichenau und in Echternach
gepflegte, sondern schließt sich
an angelsächsische Vorbilder
an, ohne deren Vorzüge zu
erreichen. Eine Schultradition
hat zu Prüm im X. und XI.
Jahrh. nicht bestanden. Durch
die Einsetzung der aus Prüm
stammenden Abte war in der
Reichenau Verwirrung entstan-
den. Viele Mönche verließen
das Kloster; wahrscheinlich befanden sich unter
den Flüchtlingen auch Schreiber und Miniatoren.
Waren sie es, die Reichenaus Stil, Technik und
Ikonographie in andere Klöster brachten, nach
Süddeutschland, Trier und Echternach, viel-
leicht bis nach Cöln? Daß sie nicht nach
Prüm kamen, woher die ihnen unliebsamen
Abte berufen waren, erklärt sich leicht.

Luxemburg. Stephan Beissei, S. J.

--------------- (Schluß folgt.)

n) Hirsch, »Jahrbücher des deutschen Reiches
unter Heinrich II.« (Berlin 1862), I, 40» f.; Marx,
»Geschichte des Erzstiftes Trier«, 1, 2. Abt. (Trier
1860), 309 f. ,8) van Wervecke, »Catalogue des-
criptif des manuscrits conserves a la bibliotheque de !a
section historique de l'Institut grand-ducal de Luxem-
bourg«, LI (Luxembourg 1902), 244. 19) »Trierisches
Archiv«, I (Trier 1898), 3 f. mit Abb. zweier Miniaturen
 
Annotationen