Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

DOI Artikel:
Hasak, Max: Der alte Kölner Dom
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0048

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6t

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

62

in welchen Abschnitten und Zeiten das neue
Schiff wie die Türme in Angriff genommen
und ausgeführt worden sind. Hierüber dürf-
ten richtigere Aufschlüsse als bisher zu ge-
winnen sein.

Wenn man dergestalt die Lage des alten
Domes enträtselt und seinen Grundriß in den
des neuen Domes hineingezeichnet hat, dann
erledigen sich eine ganze Anzahl Streitfragen
von selbst. Vorab die, ob zuerst nur der
Anbau des Chores geplant gewesen sei.

Daß an eine Kirche von verhältnismäßig
geringen Abmessungen ein derartiger Chor-
anbau unmöglich ist, ergibt besonders noch
die so geringe Höhenentwickelung, die ein
solcher Bau nur haben konnte. Ein Berufen
auf Tournai hat keine Beweiskraft, weil der
Choranbau dort an ein sehr hohes, spät-
romanisch ausgewölbtes Schiff stattgefunden
hat, und zwar hinter einem Vierungsturm, der
die ungleiche Höhe vermittelt. Außerdem ist
der Chor zu Tournai bedeutend kleiner als
der zu Köln.

Auch das Wort ampliat in der Inschrift,
welche den Einzug in den neuen Chor der
Nachwelt überlieferte, erklärt sich bei dem
Anblick der beiden ineinanderliegenden Grund-
risse. Die Koelhoffsche Chronik vom Jahre
1499 berichtet wie folgt:12) „ind daevan is
geschreven in dem doim boven der einre
doerre, dair die jaire des regimentz der
bischoffe bi den stocken gezeichent werden,
und ludet alsus:

„Anno milleno bis centeno quater decimo dabis octo
Dum colit assumptam clerus populusque Mariam
Presul Conradus ex Hoesteden generosus
Ampliat hoc templum lapidem locat ipseque primum
Anno milleno ter centeno vigenaque iungo
Tunc novus iste chorus cepit iubilare canorus."

Der ganze Neubau ist tatsächlich eine Ver-
größerung des alten Domes, so zwar, daß
sogar alle Altäre und jeder Quadratfuß des
alten Domes auch später im neuen Dome lag.
Daher beheben sich auch die Einwürfe, welche
aus den fortdauernden Altarstiftungen im alten
Dom gemacht wurden. All diese Altäre lagen
auch weiterhin innerhalb des neuen Domes.
Ebenso umfing alle Grabstätten des alten Domes
später von selbst der neue Dom.

Schließlich scheint der Erweis möglich,
daß der ganze Dom bis zu den Türmen noch
im XIII. Jahrh. in seinen Umfassungen hoch-

ia) »Die Chroniken der deutschen Städtev (Leipzig
1876) Bd. 13, S. 550.

geführt worden ist, ähnlich etwa wie dies zu
Magdeburg seit 1208 geschehen war. Wohl
ist es schwierig, sich darüber klar zu werden,
was am Kölner Dom alt und was seit der
Wiederherstellung im vorigen Jahrhundert ent-
standen ist. Aber eines scheint sicher zu sein,
die Reihenfolge der Maßwerke, die eine
richtige Entwicklung der Form nach auf-
weisen. Nun sind die Maßwerke des hohen
Chores an der Nordseite fast dieselben wie
die der Seitenschiffe am Langschiff. Die
Seitenschiffe können also nicht viel später als
1320 entstanden sein, insbesondere da die
südlichen Fenster des Hochchors schon ent-
wickeltere, also spätere Formen zeigen.

Daß diese Seitenschiffsmaßwerke keinen
späteren Wiederherstellungsarbeiten ihre frühen
Formen verdanken, scheinen am besten die
Renaissancefenster des Nordschifiles zu beweisen.
Als 1508 und 1509 diese herrlichen Ver-
glasungen eingesetzt wurden, waren die Maß-
werke ersichtlich vorhanden, sonst hätten sich
Fischblasenmuster und ähnliches zu dieser
späten Zeit eingestellt. Warum sollte man
1508 die Maßwerke „um 1300" zeichnen?
Auch die Schiffsarkaden sind nicht in den
Formen der Frühzeit ausgeführt worden. —
Die Seitenschiffsmauern sind daher schon bei
der Einweihung des Chores fertig gewesen.
Dazu stimmt, daß man auch die frühgotischen
Unterteile der Kreuzflügel bei der Gründung
der jetzigen gefunden hat. Andererseits be-
grenzen die Standbilder im Eingang des Süd-
turmes die Zeit, nach welcher die Seitenschiffs-
mauern nicht mehr entstanden sein können.
Sie ähneln denen im Chor. Diese aber sind
unter Erzbischof Wilhelm von Gennep (1349
bis 1363) geschaffen worden. Gelenius schreibt
wie folgt: 13) „In fine chori sub maximo organo
monumentum est ex nigro marmore, candidis
tarnen e marmore statuis ornatum, cui in-
cumbit resupina statua Wilhelmi de Gennep
Archiepiscopi, qui majorem Aram et caeteras
in choro, Christi, Deiparae et Apostolorum
statuas columnis adfixas, fieri curavit."

Daß man nicht seit 1320 alle Umfassungen
der Kreuzflügel, der Seitenschiffe und des
Turmes innerhalb 30 bis 40 Jahren aufgeführt
haben kann, dürfte bei den Klagen über das
Nachlassen der Spenden begreiflich sein.

Damit dürfte auch der Streit erledigt sein,

*') Gelenius, »De admiranda sacra et civili
Magnitudine Coloniaec (Köln 1645) S. 253.
 
Annotationen