Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

DOI Artikel:
Bogner, Heinrich: Über die Emporen in christlichen Kirchen der ersten acht Jahrhunderte
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0081

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
111

1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

112

in der Bausitte der griechischen Kirche die
Emporen zur Regel wurden.7) Wie demnach
im Orient Lehrende und Lernende, Priester
und Laien durch Erhöhung des Platzes und
durch Schranken in der Kirche geschieden
waren und eine Scheidewand wieder die hohe
und niedere Geistlichkeit, den Priester vom
Gehilfen und Diener trennte, so die Emporen
— die Geschlechter.8)

Der Aufenthalt der Frauen wurde Gynai-
konitis genannt. Zu beiden Seiten des Schiffes
waren diese erhöhten Galerien angebracht, unter
denen sich somit die Seitenhallen, die Portiken
oder Aulen des Schiffes bildeten.

Die Öffnungen dieses Frauenchores nach
dem Schiffe zu waren mit Brüstungen versehen
und Wendeltreppen (Cochleae) mit gesonderten
Zugängen von außen führten zu demselben
hinauf.

Was nun das neue Baumotiv der Empore
in Langhausbauten im Orient betrifft,
so nimmt es Essenwein9) für die Johannis-
kircheinKonstantinopel als ursprünglich
vorhanden an und die jedenfalls nur wenig
jüngere dreischiffige Langanlage in Salonichi
(Thessalonich), seit der türkischen Eroberung
als Moschee den Namen Eski Djuma führend,
hat wie die noch existierende Kirche der
heiligen Irene zu Konstantinopel10)
über den Seitenschiffen und dem Narthex
Emporen. n)

Für die Apostelkirche und für die Kirche
der Deipara (Gottgeborenen) ad Blachernas
dort selb st, wovon jetzt kein Überrest mehr
vorhanden ist, die aber Prokopius in einer Weise
beschrieb, daß daraus die konstruktive Gestalt
mit Sicherheit hergestellt werden kann, glaubt
Hübsch12) doppelgeschossige Abseiten voraus-
setzen zu dürfen. — Ein basilikenähnlicher christ-

"') Vgl. Dehio u. v. Bezold S. 107.

8) Vgl. Kreuser S. 108.

9) Essen wein (S. 1(1) schließt a. d. weiten
Slellg. d. Säulen, daß d. Anl. einheitl. s , also nicht,
wie man vermuten könnte, einer späteren Zeit ang.
— Vgl. auch Krauß. II. Bd S. 292.

10) Essenwein (S 47 Fig. 52, 53, .r>4) teilt sie
nach den Formen dem Schlüsse des V., höchstens
dem Beginn d. VI. Jahrh. zu.

") Vgl. Hübsch H, »Die altchristl. Kirchen
nach den Baudenkm. u. älteren Beschrbgn.« usw.
(Karlsruhe 1862 bis 1863) S. 81 PI. V Fig 8 u 9,
PI. XXXIII Fig. 4.

la) Vgl. ebendas. S. 78 u 79. PI. XXXII Fig. 5
bis 9 u. PI. XXXIII. 1 perspekt. Ans d. Inneren.

licher Bau aus älterer Zeit zu El Hayz in der
kleinen Oase der lybischen Wüste soll Galerien
über den gewölbten Seitenschiffen gehabt
haben.18) Von den ebenfalls oblongen, gewölb-
ten, zum Teil schon vor 50 Jahren verfallenen
Kirchen bei Cassaba und Ancyra, die nach
Texiers Untersuchung Emporen hatten, wird
vermutet, daß sie noch der altchristlichen Pe-
riode angehören.14) — Ähnlich liegen die Ver-
hältnisse bei der ko nstantin isch en Ba-
silika am heiligen Grabe zu Jerusa-
lem.15) Nach vielen darüber hingegangenen
Zerstörungen, späteren Wiederherstellungen und
Abänderungen ist zwar fast keine Spur mehr
von der ursprünglichen Anlage vorhanden;
allein die davon hinterlassene, wenn auch teils
lückenhafte, teils euphemistische Beschreibung
eines Zeitgenossen, des Eusebius, setzt uns in
den Stand, uns diese merkwürdige Basilika
wenigstens in ihrer Hauptgestalt vorzustellen:
Es war ein fünfschiffiger Langhausbau mit
Abseiten. — Eine Kirche mit Emporen ließ
ferner der Bischof Marcianus zu Gaza unter
der Regierung Justinians erbauen; denn
Coricius sagt in seiner in der Kirche bei
ihrer Einweihung gehaltenen Rede unter an-
derem: ...... Damit nicht die Schar der

Frauen sich unter die Männer mische, obgleich
der untere Raum hinreichend Platz für beide
gewährte, hast Du einen doppelten Frauen-
platz (Gynaikonitis) herrichten lassen, von
gleicher Länge mit den beiden unteren

Hallen........."1G)

Als das früheste datierte Beispiel einer
doppelgeschossigen Kirchenanlage und wahr-
scheinlich als das früheste im Occident über-
haupt gilt S. Lorenzo fuori le mura,17)
dann folgt S. Agnese f. 1. m., beide in Rom
und ähnlich disponiert.18) — Weitere teils
ganz, teils in Spuren vorhandene Emporen sind
in S. Pietro in vincoli, in S. Quattro
Coronati zu Rom und in Sta. Maria

") VS'- Jakob G., »Die Kunst im Dienste der
Kirche«. 4. verb. Aull. (Landshut 1885) S. 37

14) Vgl. Hübsch S. 81 PI. XXXII Fig. 3 u. 1
u PI. XXXV Fig. 4 bis 6 (»Texier in s. Werken über
Kleinasien«),

») Vgl. ebendas. S. 73; PI. 31 Fig. ! u. 2.

16) Vgl ebendas. S, 84.

1T) Erb. v. Papst Pelagius II in d. Jahren 578
bis 590. Vgl. Hübsch S. 38 PI. XVII.

18) Bei Hübsch PI. XXXVII Fig. 4 bis 10
u. S. 89 ; dort auch näheres über Erbauungszeit und
Zeitstellg. des Vorhandenen.
 
Annotationen