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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Falke, Otto von: Wiener Grubenschmelz des XIV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0219

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1906. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

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tauchte und vom Kunstgewerbemuseum
zu Köln angekauft wurde (hoch 36 cm).
Beide Schauseiten des Kreuzes sind ganz mit
rot umrandeten Grubenschmelz-
platten bekleidet, während die
Dickseiten ein einfaches silbernes
Stanzblech deckt. Der Kruzifixus
ist nicht mehr vorhanden, und die
kleinen quadratischen Emailplätt-
ehen auf der Kreuzvierung sind
moderne Ergänzung. Zur Muste-
rung des blauen Grundes der
ornamentalen Flächen dienen wie-

gelistensymbole enthalten. Diese sind nicht
emailliert, sondern mit blanker Vergoldung
in flachem Relief geschnitten, ganz in der
eigentümlichen Art der Relief-
bildung, wie sie für die transluzi-
den Tiefschnittschmelze dieser
Zeit technisch geboten war.

Zu Füßen des Kruzifixus trägt
der Kreuzesstamm emailliert ein
Wappenschild mit stehendem
schwarzen Steinbock in goldenem
Feld, das nach Konrad Grünen-
bergs Wappenbuch von 1483

der die vergoldeten Rosenzweige,
deren Blüten wechselnd mit weißem
und rotem Schmelz gefüllt sind.
Vier Rundfelder in den Endungen
der Vorderseite, mit Maria und
Johannes, dem Pelikan als Symbol
des Gekreuzigten und dem Löwen,
der seine totgeborenen Jungen
durch Anhauchen zum Leben er-
weckt, als Symbol der Aufer-
stehung, entsprechen in der Tech-
nik genau den figürlichen Dar-
stellungen aller hier aufgeführten
Arbeiten dieser Werkstatt. Das
dem Physiologus entnommene Bild
des Auferstehungslöwen ist nicht
so häufig, daß nicht die analoge
Verwendung derselben Darstellung
unter dem Fuß des Sierndorfcibo-
riums und auf dem Kreuz von
Frauenchiemsee hervorzuheben
wäre.

Auf der Rückseite (Abb. li)
sind die Ausbauchungen des Kreuzes vor den
Liliencndigungen zum Einschieben von vier
Vierpaßfeldern ausgenützt, welche die Evan-

Abbildung

(Fol. CVII) auf die österreichische
Familie der Trautmannsdorf ge-
deutet werden kann.

Diese als Wiener Arbeit aus dem
zweiten Viertel des XlV.Jahrh. be-
stimmten Goldschmiedwerke sind
nicht nur als die einzigen Zeugen
einer Grubenschmelzkunst in
Österreich der Beachtung wert,
sondern sie geben auch ein in
der Geschichte des alten Kunst-
gewerbes sehr seltenes Beispiel
der Entstehung eines neuen Kunst-
zweiges durch das Studium eines
alten Kunstdenkmals. Die Wieder-
belebung einer ausgestorbenen oder
doch schon beiseite geschobenen
Technik durch die Ergänzung
und Nachahmung eines Werkes
einer vergangenen Stilperiode ist
im Kunstgewerbe des Mittelalters
eine ganz vereinzelte Erscheinung,
die wir sonst nur in der Zeit des

retrospektiven Kunstgewerbes im XIX. Jahrh.

zu suchen gewohnt sind.

Köln. Otto von Falke.
 
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