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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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Falke, Otto von: Wiener Grubenschmelz des XIV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4095#0218

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333

1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Xr. 11.

334

Die ursprüngliche Emailscheibe ist verloren und
später durch eine Eisenplatte ersetzt worden.
Augenfällig verwandt damit ist ein kleineres
Reliquiar des Bayerischen National-
museums in München, dessen drei Schmelz-
scheiben mit dem Erzengel Michael,
der Kreuzigung und der Krönung
Maria auf der Vorderseite ver-
einigt sind. Leider macht auch
hier der Verlust der blanken Ver-
goldung die reizenden Figuren
zur Reproduktion ungeeignet. Den
Grund bedeckt ein eigentümlich
mageres Rankenwerk, dessen

Flechtmuster gravierten Grund sich abhebt.
Auf den Kreuzenden sind vorn die Evange-
listensymbole aufgelegt ■— in Relief getrieben
wie auf dem Fuß des Sierndorfciboriums,
hinten Engelfiguren flach graviert. Das Schmelz-
werk spielt an diesem Stück eine
bescheidene Rolle: Nur der Titu-
lus crucis und der Nimbus Christi
sind emailliert. Immerhin genügen
auch diese Teile, die Zugehörig-
keit zur Wiener Gruppe zu be-
kräftigen, denn im blauen Grund
sind die rot beschmolzenen Rosen
nicht vergessen, und ferner ist in

Zweiglein in ziemlich dürftige
Dreiblattendungen auslaufen. Es
stellt der ornamentalen Kunst
unseres Meisters, die sich in dem
prächtigen frühgotischen Laubwerk
auf der Rückseite des Reliquiars
in Hannover so schön entfaltet,
kein sehr.' günstiges Zeugnis aus.
Aber dieses unscheinbare Orna-
ment ist wiederum von Bedeutunsr
für den Nachweis, daß dieselbe
Hand den Verduner Altar ergänzt
hat. Denn auf mehreren der
gotischen Ergänzungstafeln 20) des
Altars dient dasselbe spitzige Gras-
und Blattwerk zur Belebung des
Bodens, auf dem die Figuren
stehen. Und außerdem kehrt es
als umlaufende Wellenranke auf
der bereits erwähnten silbernen
Sierndorfpatene wieder, die wir danach
ebenfalls diesem Betrieb zuweisen dürfen.

An das Reliquiar des Kestnermuseums
reiht sich ein Vortragkreuz der Samm-
lung Schnütgen in Köln (hoch 45 cm,
Abb. 4). Die Flächen aus vergoldetem Kupfer-
blech sind beiderseitig mit frühgotischem Blatt-
werk verziert, das hier wie dort von dem im

y$r

") Drexler-Strommer, Taf. 22, 23, 28, 30.

das vergoldete Nimbuskreuz das
charakteristische dünne Ranken-
werk mit den Dreiblattendungen
— wie am Münchener Reliquien-
kästchen und der Klosterneuburger
Patene — eingestochen.

Alle Kennzeichen der Wiener
Werkstatt vereinigt in bester Form
ein Kreuz in Frauenchiemsee,
das in den „Kunstdenkmalen des
Königreichs Bayern"21) vortreff-
lich abgebildet ist. (Abb. 5.)
Die runden Schmelzplatten auf
den Kreuzenden enthalten die
Halbfiguren Maria und Johannis,
den Pelikan und den Auferstehungs-
löwen einerseits, die Evangelisten-
symbole und das Agnus Dei an-
dererseits. Die mageren gravier-
ten Ranken mit den Dreiblatt-
endungen umrahmen diese Schmelzbilder und
füllen die übrigen Flächen. Die Kreuztitel
sind im XVI. Jahrh. ergänzt worden. —
Den reichlichsten Gebrauch von seiner
Schmelzkunst machte der Meister an dem
letzten Stück der Gruppe, einem ungemein
wirkungsvollen Vortragkreuz, das erst 1905
in Wien und München im Kunsthandel auf-

J1) Im II. Tafelband, Taf 233.
 
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