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Zeitschrift für christliche Kunst — 19.1906

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349

1900.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

350

Le Baron Bethune, Fondateur des Ecoles Saint-
Luc. Etüde Biographique par Jules Heibig.
PieTace par le comte Verspeyen. Sociale Saint-
Augustin. Desclee, De Brouwer & Cie. Lille-
Bruges 1906. Preis 20 (bezw. 25) Francs.
Diese lang vorbereitete, lang erwartete Biographie
des am 18. Juni 1894 im Alter von 73 Jahren ge-
storbenen Erneuerers der christlichen Kunst in Belgien
ist endlich erschienen. Sie zu schreiben war keiner
mehr berufen, als sein vieljähriger Freund und Genosse
Jules Heibig, dem unmittelbar nach ihrer Voll-
endung der Tod die Feder aus der Hand nahm (vergl
den laufenden Jahrg. dieser Zeitschrift Sp. 25). —Das
große, mit 47 Tafeln, unter denen manche Farben-
drucke, und mit überaus zahlreichen, zumeist das
künstlerische Schaffen des Gefeierten wiedergebenden
Textbildern prächtig ausgestattete monumentale Buch
ist in jeder Hinsicht würdig des ausgezeichneten, ver-
dienstvollen Mannes, der während der zweiten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts dem Aufblühen der christ-
lichen Kunst im Nachbarlande mächlige Impulse ver-
liehen und auf diesem Gebiete auch im Rheinlande mehr-
fachen Einfluß ausgeübt hat.

Wie die Freundeshand des bekannten Chefs vom
,,Bien public" diesen Lebenslauf einleitet durch eine
warmherzige, pietätvolle Würdigung des von Glaube
und Frömmigkeit durchdrungenen, von Güte und
Selbstlosigkeit erfüllten ehrwürdigen Mannes, so schildert
Heibig in der kurzen „Introduktion" die Familie, aus
der er hervorgegangen ist, als den Schutzengel, der ihn
durchs Leben geführt hat. — Sein Lebensbild ent-
faltet sich sodann auf 338 Seiten in 21 Kapiteln mit
folgenden Überschriften: Familie, Eltern, Kindheit,
Universität (Löwen), Studien, Verwaltungskarriere,
Heirat, Anfang des Kunstlebens, Kampf, Kunstschaffen
nach der Natur, Kunstprinzipien, Christliches Leben,
Familienleben, Reisen (Beuron) Künstlerisches Schaffen,
Mißverständnisse und Widersprüche, Gründung der
Universität Lille, Jubelfest in Hai, Freunde in England,
Frankreich, Holland, Deutschland, Letztes Lebens-
jahr, Bestattung.

Schon diese Überschriften deuten an, daß Bethune
hier in der Vielseitigkeit seines Waltens und Wirkens
geschildert wird. Nur so ist er bei der Einheitlichkeit
seines Wesens, bei der Abgeschlossenheit seines
Charakters ganz zu verstehen hinsichtlich seines um-
fassenden, eigenartigen Kunstschaffens, das ein halbes
Jahrhundert gewährt hat. — Den Zeichenunterricht,
den der Jüngling zunächst nach der Natur genoß
und bald durch unausgesetztes Nachbilden der mittel-
alterlichen Meister auf dem kirchlichen Gebiete er-
gänzte, hat ihm allmählich die unglaubliche Leichtig-
keit des Entwerfens und die enorme Mannigfaltigkeit
verschafft, mit der er keinen Kunstzweig ausschloß
zur Entfaltung einer ungewöhnlichen Fruchtbarkeit.
So sehr er die Architektur, die kirchliche, aber auch
die profane, besonders im Geiste der Gotik pflegte,
auch auf die Plastik übte er einen großen Einfluß
aus.die Wand-Tafel-Miniaturmalerei trieb ereigenhändig,
der Glasmalerei errichtete er eine große, weithin
wirksame Werkstatt, für die Goldschmiede, wie für
die Paramentik machte er die Pläne. Zahlreich er-
wuchsen ihm die Lehrlinge und die Gehülfen, nach-
dem er (1858) seinen Sitz von Brügge nach Gent

verlegt und die St. Lukasschule gegründet, der Ge-
nossenschaft der Schulbrüder übertragen hatte, die
jetzt anfingen, nach seinen Grundsätzen zu lernen und
zu lehren. Von der Erhabenheit des christlichen
Kunstschaffens tief durchdrungen, wollte er dasselbe
im Anschlüsse an die mittelalterlichen Werke erneuern,
aber auf eigene Füße stellen. Deswejen redete er
nicht dem Nachahmen grundsätzlich das Wort. So
enge er sich auf dem Gebiete der Architektur an die
Meisterwerke des heimischen Backsteinbaues anlehnte,
den unvergleichlichen Erzeugnissen der altflandrischen
Skulptur, Malerei, Stickerei stellte er seine eigenen
mehr idealistisch und beschaulich gehaltenen Gebilde
entgegen, die Zeugnis ablegen von einer höheren,
übernatürlichen Auffassung der christlichen Kunst,
nicht nur der kirchlichen. Wie in den Kreisen der
Künstler, suchte der ernste, aber liebenswürdige
Kunstapostel Einfluß zu gewinnen bei der akademischen
Jugend, dem Klerus, hervorragenden Laien durch
die Einführung der St. Thomas- und Lukasgilde mit
ihren jährlichen äußerst anregenden und erfolgreichen
Kunstfahrten. — Mit den gleichgesinnten, zumeist aus
der Romantik herausgewachsenen Führern im Auslande,
namentlich mit Pugin, Wisemann, Sutton, Weale, Stuart-
Knill, mit Montalembert, Dupanloup, mit Schaepman,
mit Reichensperger, von Steinle und mit vielen anderen
unterhielt er lebhafte Verbindung, und lernend wie
lehrend, kopierend wie entwerfend, besuchte er öfters
auch Deutschland, namentlich in Begleitung von Heibig,
mit dem er besonders für die Ausst attung des Münsters und
der Marienkirche in Aachen tätig war. — Weitverzweigt
war sein Einfluß, und gerne lauschten die Scharen
der Jünger und Freunde den Worten des mit Bescheiden-
heit, aber doch mit Nachdruck unterweisenden Alt-
meisters. — Schnell reiften die Früchte, und bis jetzt
haben sie sich behauptet in der Lukasschule, wie in
den zahlreichen, aus ihnen hervorgegangenen Ateliers
und den mancherlei Vereinigungen von Gelehrten,
Künstlern, Kunstfreunden, die in Belgien einen ge-
schlossenen Kreis bilden. — Wenn auch die Wege, auf
denen Bethune beflissen war, der christlichen Kunst
zu neuer Blüte zu verhelfen, für Deutschland sich
nicht in alleweg eigneten und auch jetzt noch nicht ganz
empfehlen, so verdient doch auch hier das Bild und
Vorbild des erleuchteten, begeisterten, hingebungs-
vollen Mannes vollste Beachtung, auch in dem Sinne,
daß manche seiner Gedanken, Anregungen und Ein-
richtungen dankbare Fingerzeige zu bieten vermögen
hinsichtlich der so dringlichen wie wichtigen Neu-
belebung des vielfach zerfahrenen christlichen Kunst-
schaffens. — Die 50 Seiten umfassende „Annexes"
des Buches geben einen nach den Örtlichkeiten ge-
ordneten Überblick über die von dem Künstler ent-
worfenen oder ausgeführten Werke. Schnütgen.

Kultur und Katholizismus. —

Edward von Steinte, Eine Charakteristik seiner
Persönlichkeit und Kunst von Dr. Joseph Popp.
— Kirchheim in Mainz 1906. (Pr. kart. 1,50 Mk.)
Was für den Romantiker Steinle, dem die Auf-
merksamkeit sich wieder in höherem Maße zuwendet,
in dieser Zeitschrift mehrfach, wenigstens andeutungs-
weise, in Anspruch genommen wurde, daß seine
Bedeutung nicht so sehr in der Monumentalmalerei,
 
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