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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 3.1909/​10

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Pomtow, Hans: Die alte Tholos und das Schatzhaus der Sikyonier zu Delphi, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22223#0136

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bis auf den anstehenden Fels durchwühlt. Daß keine vorhanden sind, ist viel beweisender,
als ein von mir auf der Tempelterrasse gesehenes, angebliches Tholoskapitell (s. Teil III,
Abschnitt 2), das leicht verschleppt sein kann. Lag doch umgekehrt eine runde Hängeplatte
der Apsis des Musenheiligtums unten bei den Liparäern. — Ferner müßten der ältere
Thesauros unten im Temenos und die Tliolos oben gleichzeitig zerstört, bezw. abgebrochen
sein, denn kein Mensch kann glauben, daß die Tholosreste 1—11/2 Jahrhunderte lang
(530—430, bezw. 370) irgendwoanders im Heiligtum aufgestapelt gelegen haben, um dann
erst den Sikyoniern überlassen zu werden. Fand der Abbruch beider Bauten aber erst um
430—370 statt — man kann ja in Delphi allemal ein hülfreiches Erdbeben als Grund
annehmen, wennschon die gute Erhaltung der Tholosarchitrave und der Metopen des
Rechteckbaues dagegen spricht —, so kann der Rundbau nicht von den Alkmeoniden
beseitigt sein und demnach, auch abgesehen von dem Felden der Fundamente, nicht auf
der Tempelterrasse gestanden haben. Im übrigen ist das oben S. 118 zu 1) und 2) über
die singulare Durchschichtung unseres Fundaments Gesagte zu vergleichen.

Aus diesen Schwierigkeiten gibt es nach der jetzigen Lage der Dinge nur
einen Ausweg, der demjenigen Fiechters entgegengesetzt ist: nicht die massenhaften, für
ein Thesauros-Fundament viel zu zahlreichen, zum Verbauen höchst ungeeigneten (Säulen-
abplattungen!) Tholosreste hat man von irgendwoanders hierher gebracht, sondern die wenigen
geraden Stücke, kaum x/2 Dutzend Architrave und einige Hängeplatten, sind von einem
fremden Bauwerk, das wohl in der Nähe lag und gleichzeitig mit der Tholos einem
jüngeren Bau Platz machte, hier zur Versteifung der Fundamentecken herübergeholt und
auch dessen unbrauchbare Metopen sind als Füllsel, um ihren weiteren Wegtransport zu
sparen, daneben gepackt worden. Damit werden leider die «Sikyon-Metopen» heimatlos,
aber vielleicht gelingt es später, ihren ursprünglichen Bau aufzuspüren. Vorläufig sei
darauf hingewiesen, daß auch der ganz nahe befindliche Thebaner-Thesauros auf älteren
Fundamenten neu errichtet wurde, oder der sogenannte Thesauros von Klazomenae früh
abgebrochen worden sein kann usw.,

6. Das Alter der Tholos, ihr Stifter und ihre Bestimmung.

Die platte Form und die starke Kurvatur des Echinus an den Kapitellen, die Klein-
heit der Säulen, der hocharchaische Stil der Metopenreliefs, — alles wies für Tliolos und
Rechteckbau mit Sicherheit auf die Mitte des VI. Jahrhunderts oder dessen erste
Hälfte (oben S. 115).

Wenn die Stadt Sikyon das Recht hatte, die sämtlichen Bauglieder der Tholos zu
dem Unterbau ihres neuen Thesauros zu verwenden, so wird jenes Gebäude und der Platz,
auf dem es stand, gleichfalls sikyonisch gewesen sein; denn Ersteigerung eines fremden
Baues auf Abbruch gab es damals nicht, und runde Tholosfundamente sind, wie bemerkt,
im Temenos anderweitig nicht vorhanden. — Hiermit stimmt das Material sowohl der
Tholos, als auch des jüngeren Thesauros, das mit dem Porös des Sikyon-Thesauros in
Olympia identisch ist (s. unten S. 130 f.) und sicherlich aus den noch im IV. Jahrhundert
für den delphischen Tempelbau benutzten sikyonischen Steinbrüchen stammte.

In Sikyon kann für die angegebene Zeit als Bauherr nur ein einziger Mann in Be-
tracht kommen, das ist K1 e i s t h e n e s. Seiner Prachtliebe und Politik wird dieser Rund-
bau, der eine für jene Zeit hochbedeutende künstlerische Leistung war, seine Entstehung
verdanken; denn seine schattenhaften Nachfolger, von denen der letzte (Aischines) etwa
 
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