Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 3.1909/​10

DOI Artikel:
Pomtow, Hans: Die alte Tholos und das Schatzhaus der Sikyonier zu Delphie, [2]: von H. Pomtow
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22223#0203

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
187

Abbildung 57 angegebenen Apsisradius von 1,615 übereinstimmt. Auch sind beide Enden der Innensehne
stark bestoßen, so daß ein Meßirrtum von je 2 cm an jedem Ende (bei 64 cm Länge) nicht unmöglich er-
scheint. — Außerdem war auch im Schnitt die hintere, 61/2cm hohe Einarbeitung der Platte irrtümlich
oben statt unten angegeben. Ist das alles korrigiert, so erhalten wir die Gestalt, wie sie Abbildung 58 zeigt.

Längs des Mittelbogens läuft in einem Abstand von 3 cm eine «Aufschnürungslinie» (?). Bis hierher
scheint längs der Unterkante am Auflager das schwache Profil — Riemchen und darunter Rundstab — gereicht
zu haben, das im Schnitt nur ganz ungefähr der Skizze nachgezeichnet ist. In der Vorderansicht fehlte es,
und darum habe ich nicht gewagt, es einzuzeichnen; ich erinnere mich, daß es so schwach und bestoßen
war, daß man es zuerst für Bruch hielt. Es wäre ganz singulär und bedarf der Nachprüfung.

Ob weitere Reste des Oberbaus des Musenheiligtums erhalten und erkennbar sind, muß die Zukunft
lehren. Jedenfalls weist die Technik und die Schwalbenschwanzklammern auf sehr alte Zeit. Das Material
ist der weiche Porös (1) der Brüche von Korinth (Probestück aus der obersten in situ befindlichen Lage der
Apsis, am NW.-Beginn des Halbrunds; Fhilolog. 66, S. 284, Nr. 128).

Über das Alter des kleinen Gebäudes kann kein Zweifel obwalten: seine Verschüt-
tung hängt zusammen mit der Neugestaltung der Zwischenterrasse, dem Bau der Polygon-
mauer, der Errichtung des Alkmeonidentempels (vergl. oben S. 121 f.) um 540—514. Es
muß also spätestens im Anfang des VI. Jahrhunderts erbaut sein, geht aber wahrschein-
lich bis in die Mitte des VII. hinauf. — Auch seine Lage weist auf so hohes Alter.
Denn er befindet sich so recht im Mittelpunkt der prophetischen Gegend: direkt südlich
und dicht am Adyton, wenige Schritte westlich von einer Brunnenanlage (Wassertreppe),
in welche die Adytonquelle vermittelst einer noch vorhandenen Leitung mündet, und dicht
oberhalb und nördlich von dem sogenannten Ge-Heiligtum, das man in und bei den Fels-
partien des Sibyllenfelsens, der Drachenschlucht, der Naxiersäule ansetzt. Diese Lage
beweist, daß der kleine Bau in engster Beziehung zu dem ältesten Tempel und dem
Apollokult gestanden haben muß.

Aber was war seine Bestimmung? Vielleicht gibt die singulare halbrunde Gestalt
darüber Auskunft. In Band II, S. 49 hat H. Thiersch auf den fundamentalen Unterschied
zwischen Sprechakustik und Musikakustik aufmerksam gemacht. Erstere verlange vier-
eckige Säle mit gerader Decke, letztere runde Räume mit Wölbung. Gehören nun die
Apsisbauten zu jenen oder zu diesen? Als die späteren, «rechteckigen Versammlungs-
häuser immer mehr in die Länge wuchsen, legte man zur Verstärkung der an einem
Schmalende postierten Schallquelle einen tonsammelnden Halbzylinder mit Viertelskuppel
unmittelbar dahinter: die Apsis der Basilika» (Thiersch), — da aber bei den archaischen,
kurzen Apsisgebäuden keine Stimmverstärkung eines Sprechers in dem winzigen Raum
beabsichtigt gewesen sein kann, scheint mir hier nur die Musikakustik als Zweck des
Halbrunds in Frage zu kommen. Die dünnen Töne der alten Musikinstrumente (Kithara,
Flöte) sollten gesammelt und verstärkt werden. Wenigstens ist es mir nicht gelungen,
irgend einen andern, halbwegs probabeln Grund für die Erfindung solcher Apsiden im
VII. Jahrhundert v. Chr. ausfindig zu machen, wo an Kapellenkultus, Heiligen- oder Heroen-
Nischen usw. auch nicht in den entferntesten Vorstufen gedacht werden kann. Da nun
die Musikzentren von Sparta und Delphi von Kreta aus gegründet waren (vergl. Thiersch
a. a. 0., S. 67, 2) und der kitharaspielende Apoll den päansingenden Kretern nach Delphi
voranzieht, so werden wir in Delphi mit Wahrscheinlichkeit einen kleinen Bau für die
Solovorträge der Kitharasänger anzunehmen haben noch vor dem heiligen Krieg und vor
Erbauung der alten Tholos.

Die innere Fläche unseres Apsisbaues enthält etwa 10,40 qm.1 Der Flächeninhalt

1 3,80—0,51 = 3,30 m an Länge, wovon bis zum Halbrundzentrum etwa 0,25 abgehen (1 m Innen-

24*
 
Annotationen