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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Pomtow, Hans: Die beiden Tholoi zu Delphi
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0218
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Beachtung der damals noch gar nicht vermessenen oder bemerkten geraden Architrave
ausgeführt. Immerhin wären wir vorläufig berechtigt, diese Argoplatte über unsern
Architrav g zu setzen — oder über s, dessen Metopenbreite wir nur auf 87— 88 — 89
abschätzen konnten —, also auf eine Längsseite des Gebäudes, da sie für die Front-
metopen (84—85) zu lang erschiene.

Ein weniger genaues Resultat gibt Platte I, der kalydonische Eber. In Bd. III,
S. 113 mit Abbildung 13 und S. 181 mit Abbildung 18 (Tafel I) war mitgeteilt, daß
die Eberplatte nach Homolles Angaben 88 cm (max.) breit war, gemessen an der Ober-
kante, die aber rechts noch Bruch zeigte. Heut ist die Platte mit Gips verlängert und
auf die gleiche Länge gebracht wie die vorige (V, Argo). Man kann daher die Stein-
länge nur noch bis auf 85 feststellen, der Pest steckt im Gips, aber die noch unver-
vollständigte Abbildung 1 auf Tafel X des Bull. 20 (1896) zeigt, daß auch bei 88 cm
Länge noch kein Falz erscheint. Andererseits beweist die Ergänzung des Eberkopfes
durch Reichhold (Bd. III, Tafel I, Abbildung 18), daß an der Platte rechts kaum mehr
etwas fehlen kann. Da nun von den erhaltenen 6 Seitenkanten der 5 Platten keine
einzige den Falz aufweist, außer der rechten Kante von V (Argo), so möchte ich seine
Anbringung hier auf abnorme technische Gründe zurückführen, wie z. B. zu weites Vor-
drängen des Hintersteins, oder besser, nicht hinreichende Tiefe des Triglyphenfalzes —
so daß man die Reliefplatte hier nachträglich einschnitt — oder dergl. Die Platten hätten
also im allgemeinen keinen Falz gehabt. Wenn sie nicht fest genug eingepaßt waren,
wurden sie durch große Stifte oder Nägel an den Hintersteiii geheftet, wenigstens läßt
sich das runde Loch in der rechten oberen Ecke der Eberplatte kaum anders erklären.
Aber natürlich müssen sie eiu wenig hinter die Triglyphenfalze eingebunden haben, die
wir ähnlich bei den Tholostriglyphen fanden (oben S. 179). Zieht man für dieses Ein-
binden bei der Eberplatte 3 cm ab, so erhalten wir die Metopenbreite von Architrav t,
nämlich 88 — 3 = 85 cm, also die rechte Frontecke, oder bei 3,3 Einbindung die Breite
von f (88 — 3,3 = 84,7), also die Mittelmetope usw.

In Bd. III, S. 115 war gesagt, daß sich aus den 2 Arten der Darstellung — das
eine Mal Einzelbilder (Stier, Eber, Widder), das andere Mal Handlungsgruppen (Argo
und Dioskuren; Idas und Dioskuren) — auf eine Disposition nach Vorder- und Seiten-
wänden des Baues werde schließen lassen. Wenn nun die Argo (V), wie eben als
möglich gezeigt, auf die eine Längsseite gehörte, würde die Idasplatte an die andere
zu setzen sein, so daß die 3 Einzelbilder der Tiere die Front schmückten. Existierten
noch mehr Reliefs, worauf die a. a. 0. aufgeführten großen und kleinen Fragmente
deuten können, so muß man sie entweder in den zweiten Metopenfeldern der Langseiten
anordnen (über Wandarchitraven) und darf dabei an das Theseion erinnern, dessen
Langseiten auch nur in den ersten 3 Feldern Reliefs enthielten — oder wahrscheinlicher,
man muß aus ihnen die Giebelreliefs zu gewinnen suchen, die bei unserm Prostylos
schon vorhanden gewesen sein werden (vergl. den Kyrenethesauros in Olympia und den
soeben entdeckten Tempel in Korkyra).

Es wäre eine lohnende Aufgabe für einen Archäologen, diese übrigen Bruchstücke
gewissenhaft zu untersuchen und aus ihnen neue Winke für die weitere Rekonstruktion
dieses einzigartigen Gebäudes zu entnehmen, von dem wir vorläufig nur die Front und
den Pronaos kennen. Er würde sein Augenmerk auch auf die leer gelassenen Ränder
an den Seitenkanten neben den Reliefs richten und z. B. feststellen, ob in V die Tri-
 
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