Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

DOI article:
Haupt, Albrecht: Westgotische Baukunst in Spanien
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0248
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
234

6. Das Gebäude ist in seinen originalen Teilen, auch den Gewölben, in vorzüg-
lichstem großsteinigen Quaderbau aufgeführt, genau wie S. Juan zu Barlos,
die Krypta zu Palencia, die Reste von S. Vicente in der Moschee zu Cordoba.

Dagegen zeigen die Wände der mozarabischen wie der asturischen Kirchen des 9. bis
10. Jahrhunderts höchst minderwertiges Mauerwerk, fast nur Bruchstein. Seit den Tagen
Alfonsos II. werden häufig die Bögen in Ziegeln ausgeführt, tritt sogar öfters Ziegel-
mauerwerk der Wände auf S. Miguel de Lino, S. Miguel de Escalada, Val de Dios).

Moreno bemerkt noch dazu, daß das Baumaterial aus Brüchen weit südlich des
Duero stamme, über den es.in den Zeiten der Araberkriege keine Brücke gegeben habe.

Er weist ferner auf die reiche Verzierung hin, die in den Tagen Alfonsos III. nicht
mehr möglieh gewesen sei, wo man nur noch ganz rohe Zieraten gekannt habe.

Denn, falls die Kirche nicht vor dem Arabereinbruche gebaut ist, könnte es sich
nach jener Erwähnung des Klosters im Jahre 902 ausschließlich um die Zeit Alfonsos
des Großen (III.) handeln, in der sie entstanden sein könnte. An spätere Zeit wäre
überhaupt nicht zu denken.

Aus allen diesen Gründen müssen wir es wohl als sicher betrachten, daß die Kirche
von S. Pedro de Nave noch von echten Westgoten vor der Araberherrschaft erbaut ist,
und sie den so seltenen Steinbauwerken der germanischen Frühzeit zurechnen.

Dann aber müssen wir feststellen, daß wir in ihr den originellsten und künstlerisch
wertvollsten erhaltenen Kirchenbau der Westgoten, überhaupt der Germanen vor der
Aachener Palastkapelle, vor uns sehen, da die. bedeutenden Kirchenbauten Theoderichs
des Großen als original-germanische Bauwerke nicht in Betracht kommen.

Mit Ausnahme der oben einzeln aufgeführten ornamentalen Arbeiten an den Säulen-
kämpfern und Basen, die sich als vom Orient inspiriert kennzeichnen, ist sonst das ganze
Bauwerk durchaus selbständig: Der Grundriß, wie der Aufbau und das übrige Orna-
ment. Natürlich haben die Germanen das Tonnengewölbe ebensowenig erfunden wie
die kreuzförmige Durchschneidung zweier mit Kuppel am Schneidepunkt. Die Vorder-
asiaten jener Zeit jedoch auch nicht, wie ja auch das Grabmal der Galla Placidia seine
Vorgänger besaß. Einer lernt eben vom anderen.

Aber wie diese Elemente hier angeordnet, aufgebaut und zu einem Ganzen ver-
einigt und durchgebildet sind, das erscheint in dieser Art neu. Alles irgend zu er-
reichende Material, insbesondere das aus dem Osten, hat keinen Anhaltspunkt dafür
ergeben, daß etwa in Anatolien, Kappadozien, Syrien oder gar in Mesopotamien die
Vorbilder dieser Kunst zu finden seien, wenn man nicht jene importierten Ornamente,
die ich übrigens für persisch halte, als Beweis dafür ansehen will. Aber Schmuck-
motive machen oft wunderbare Wanderungen.

Was nun die genauere Zeit der Entstehung der Kirche anlangt, so ist diese, schon
der ausgebildeten westgotischen Ornamentik in Kerbschnitt halber, die in die letzte
Zeit der Westgotenherrschaft weist, wie aus anderen Gründen kaum vor den Anfang
des 8. Jahrhunderts zu setzen.

Vor allem scheint mir, wie oben angeführt, aus. dem baulichen Zustande der
Kirche hervorzugehen, daß sie nicht einmal fertig geworden war, vielmehr die Teile
vom Querschiff an bis zum Westende lange Zeit ungewölbt und ungedeckt dastanden.

Sonach ergibt der heutige technische Zustand folgende Wahrscheinlichkeit:

Der Bau wurde eingestellt, nachdem die Teile östlich vom Querschiff eingewölbt
 
Annotationen