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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Klaiber, Hans: Über die Anfänge der Hallenkirche in Schwaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0273
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259

Ausdruck gradus1 in der Weiheurkunde von 1328 zu beziehen. Wenn also in diesem
Jahr drei Altäre auf und zwei vor den Stufen geweiht werden, so muß das Schiff damals
schon bis zu seinem Ostabschluß gediehen und benutzbar gewesen sein; die Weihe der
Kirche galt demnach dem 1328 fertig gestellten Schiff. Und zwar war das Langhaus
damals schon als Hallenbau gedacht; die heutigen Netzgewölbe des Schilfes stammen
freilich erst aus der zweiten, spätgotischen Bauperiode, der Regierungszeit des Grafen
Eberhard im Bart (f 149G), dessen seit 1459 geführter Wahlspruch Attempto auf einem
Schlußstein gelesen wird. Aber schon in der Erbauungszeit des Langhauses war eine
Ilallenanlage vorgesehen; dies beweisen die Rippenansätze für die Wölbung der Neben-
schilfe, die unter dem Dach in der Höhe des Mittelschiffgewölbes noch zu sehen sind,
wie auch die ehemals gegen die drei Schiffe sich öffnenden Bogen im zweiten Turm-
geschoß. Möglicherweise haben die Senkungen und starken Ausweichungen schon während
der Erbauung begonnen und
die Erstellung der an sich in
mäßigen Dimensionen gehal-
tenen Kirche verteuert und die
Vollendung so lange hinaus-
gezogen.

Ein Termin für den Bau-
beginn ergibt sich aus den ur-
kundlichen Nachrichten nicht,
er mußte aus der genaueren
Betrachtung des Westwerks
gewonnen werden. Nun hat
dieses allerdings im Lauf der
Zeit eingreifende Veränderun-
gen durchgemacht und mit der
ganzen Südseite auch durch
Bestauration Wandlungen er-
fahren, die sein Bild entstellen.
An Stelle des barocken Kuppelaufsatzes endigte es ursprünglich in zwei schlanken, in
Achteck und spitzer Pyramide aufgebauten Türmen, die im 17. und 18. Jahrhundert häufig
von Blitzschlag und Unwetter heimgesucht im Jahr 1749 wegen Baufälligkeit «schädlicher
Struktur» und unsicheren Untergrundes abgetragen wurden. Ferner wurde ein Portal im
ersten, die Bose im zweiten Stockwerk der Westfront und von den drei Spitzbogenfenstern
darüber das mittlere vermauert und das große, durch zwei Geschosse gehende Prachtfenster
der Südseite seines Pfosten- und Maßwerks beraubt. Nicht geringer sind die Änderungen
im Innern. Hier befanden sich einst im ersten und zweiten Geschoß je drei spitzbogige
Kreuzgewölbe nebeneinander, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts herausgenommen und
durch einen unschönen Holzeinbau mit Treppenaufgang ersetzt wurden. Verschiedenes
weist darauf hin, daß schon am Untergeschoß des Westbaues eine Unterbrechung oder
Planänderung eintrat; so der die älteste Zierform an der Kirche darstellende Blattfries, der

1 Auf die zwei Tritte betragende Chorstufe kann der Ausdruck aus zeitlichen Gründen nicht bezogen
werden. Übrigens ist die Plazierung der Nebenalläre in den zwei letzten Jochen der Abseiten vor dem
Chor durchaus angemessen.
 
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