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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 4.1910/​11

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Klaiber, Hans: Über die Anfänge der Hallenkirche in Schwaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.22224#0276
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hatte, sondern sowohl mit seinen Innenräumen wie durch seine Außenbehandlung den
Anspruch eines relativ selbständigen Bauteils erhebt. Etwas Ähnliches existierte zuvor im
Lande nicht und auch die fernere Entwicklung der Gotik ist nicht mehr darauf zurück-
gekommen. Wohl aber ist dieser Typus im Elsaß, bekannt und verbreitet. Der wehr-
hafte, dem Westende der Schiffe quer vorgelegte, mit einem Rosenfenster geschmückte Front-
bau mit zwei übereinandergelegten Hallen, von denen die obere emporenartig sich gegen
das Langhaus öffnet, bald von einem, bald von zwei Türmen gekrönt, ist geradezu ein
Wahrzeichen der spätromanischen Baukunst im Elsaß: von dorther muß die Anregung
gekommen sein. Phantasievoll sieht Paulus in dem Erbauer des Westwerks einen Ein-
heimischen, der die großen Gedanken und feinen Formen der Straßburger Gotik in seinen
:<burgtrotzigen Pfalzgrafenstil» (?) übersetzte; auch Gradmann hat auf Straßburg, speziell
Sl. Thomas (für Westbau und Hallensystem) hingewiesen. Trotzdem schon der Unterschied

Abbildung 3: Grundriß der Frauenkirche in Eßlingen. Nach Paulus, Die Kunst- und Alterturnsdcnkmale

des K. Württemberg. P. Nef'f, Eßlingen.

in der Zahl der Türme wesentliche Abweichungen in der Gesamterscheinung bedingt, darf
man doch an eine in hochgotischem Sinn umgedachte Anregung von Bauten wie St. Stephan
oder St. Thomas denken. Auch für die Frage nach der Herkunft des Langhaussystems ist
die Ähnlichkeit mit dem elsässischen Typus von Bedeutung. An St. Thomas in Straßburg
tritt uns, wie man weiß, ein frühes Beispiel der Hallenkirche entgegen. Mindestens zu
der Zeil, da das Herrenberger Schiff erbaut wurde, ist am Langhaus der Thomaskirche
das Hallensystem angewandt worden, und zwar als etwas Neues für das süddeutsche Bau-
gebiet. Das Elsaß selbst hielt sich dem neuen Typus gegenüber sehr zurück; dagegen
wäre es wohl möglich, daß bei den engen Beziehungen, die von der schwäbischen Hoch-
gotik in ihren Anfängen nach Straßburg hinübergehen, auch dieser Baugedanke als
neueste Errungenschaft mit herübergekommen wäre. Ein Beweis dafür ist nicht zu führen,
aber die Herkunft der schwäbischen Hochgotik im allgemeinen, des Herrenberger West-
baumotivs im besonderen und das vermutliche Zusammenfallen der Bauzeit (Anfang
14. Jahrb.) sind doch Umstände, die den Gedanken erwägenswert machen. Mag indessen
die Provenienz unsicher bleiben, so möchten wir als Ergebnis der Betrachtung feststellen,
daß die Herrenberger Kirche, deren Schiff im ersten Viertel des 14. Jahrhunderls
 
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