Schule von Corbie.
Von keiner fränkischen Klosterbibliothek des frühen Mittelalters
sind uns so bedeutende Bestände des ehemaligen Besitzes erhalten, wie
von der Bibliothek des Klosters Corbie l), das in der Mitte des 7. Jahr-
hunderts durch die Königin Bathilda gegründet wurde. Luxeuiler Mönche
bildeten den Stamm der Klosterschule, und dieses Abhängigkeitsverhältnis
erstreckt sich naturgemäß auch auf den Stil der frühesten Corbier Hand-
schriften.
Wir beginnen die Behandlung dieser Schule mit dem berühmten
Codex lat. 17655 der Pariser Nationalbibliothek, der Historia Fran-
corum des Gregor von Tours, da in dieser Handschrift einerseits noch die
Zusammenhänge mit Luxeuil zu erkennen sind, andererseits schon die
Besonderheiten des Stiles der Corbier Initialen bereits deutlich hervor-
treten.
Die ersten drei Seiten des Kodex sind offensichtliche Kopien
nach einer Luxeuiler Vorlage, sowohl in der Schrift wie in der Ornamentik.
Und zwar ist es der Stil der St. Petersburger Handschrift, der hier maß-
gebend war. Die letztgenannte Handschrift lag aber in Corbie, und wenn
wir speziell den Bogen Fol. 129 a (Taf. 65 b) und die Zierbuchstaben
Fol. 1 b (Taf. 64 a) und 3 a, die Minuskel Fol. 49 a (Taf. 65 a) und die
Unziale des der St. Petersburger Handschrift eng verwandten Kodex 495
(455) in Valenciennes mit Fol. 2 a und 3 a des Gregor (Taf. 89) vergleichen,
so kann über den Zusammenhang gar kein Zweifel mehr aufkommen.
Dadurch ist aber das Alter des Gregor relativ festgelegt: er kann nicht
früher sein als die St. Petersburger Handschrift. Alle Luxeuiler Kodizes,
die dem St. Petersburger Manuskript vorausgehen, sind also später als
der Corbier Gregor. Da die Ivrea-Handschrift gegen 700 geschrieben ist,
muß der Gregor dementsprechend später entstanden sein. Man könnte
höchstens aus dem Zusammenhange der Handschriften wieder auf Corbier
Entstehung der St. Petersburger und Valenciennes-Handschrift schließen,
was nicht ganz von der Hand zu weisen ist (zu vergleichen ist auch die
Halbunziale des zweiten Teils des Cambraier Gregor mit der Halbunziale
") Vgl. Delisle, Le cabinet des Mss. t. II, p. 104—142.
Von keiner fränkischen Klosterbibliothek des frühen Mittelalters
sind uns so bedeutende Bestände des ehemaligen Besitzes erhalten, wie
von der Bibliothek des Klosters Corbie l), das in der Mitte des 7. Jahr-
hunderts durch die Königin Bathilda gegründet wurde. Luxeuiler Mönche
bildeten den Stamm der Klosterschule, und dieses Abhängigkeitsverhältnis
erstreckt sich naturgemäß auch auf den Stil der frühesten Corbier Hand-
schriften.
Wir beginnen die Behandlung dieser Schule mit dem berühmten
Codex lat. 17655 der Pariser Nationalbibliothek, der Historia Fran-
corum des Gregor von Tours, da in dieser Handschrift einerseits noch die
Zusammenhänge mit Luxeuil zu erkennen sind, andererseits schon die
Besonderheiten des Stiles der Corbier Initialen bereits deutlich hervor-
treten.
Die ersten drei Seiten des Kodex sind offensichtliche Kopien
nach einer Luxeuiler Vorlage, sowohl in der Schrift wie in der Ornamentik.
Und zwar ist es der Stil der St. Petersburger Handschrift, der hier maß-
gebend war. Die letztgenannte Handschrift lag aber in Corbie, und wenn
wir speziell den Bogen Fol. 129 a (Taf. 65 b) und die Zierbuchstaben
Fol. 1 b (Taf. 64 a) und 3 a, die Minuskel Fol. 49 a (Taf. 65 a) und die
Unziale des der St. Petersburger Handschrift eng verwandten Kodex 495
(455) in Valenciennes mit Fol. 2 a und 3 a des Gregor (Taf. 89) vergleichen,
so kann über den Zusammenhang gar kein Zweifel mehr aufkommen.
Dadurch ist aber das Alter des Gregor relativ festgelegt: er kann nicht
früher sein als die St. Petersburger Handschrift. Alle Luxeuiler Kodizes,
die dem St. Petersburger Manuskript vorausgehen, sind also später als
der Corbier Gregor. Da die Ivrea-Handschrift gegen 700 geschrieben ist,
muß der Gregor dementsprechend später entstanden sein. Man könnte
höchstens aus dem Zusammenhange der Handschriften wieder auf Corbier
Entstehung der St. Petersburger und Valenciennes-Handschrift schließen,
was nicht ganz von der Hand zu weisen ist (zu vergleichen ist auch die
Halbunziale des zweiten Teils des Cambraier Gregor mit der Halbunziale
") Vgl. Delisle, Le cabinet des Mss. t. II, p. 104—142.