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Brinkmann, Adolf [Hrsg.]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 25): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Aschersleben — Halle a. d. S., 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.25508#0074
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Aschersleben. Die St. Stephanskirche: Gemälde.

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Werkes übertroffen. Treffliche Männergesichter haben Erasmus und Eustachius;
auch der heilige Titus zeigt ein edeljugendliches Gesicht.

Höchst merkwürdig ist bei diesem Schrein, daß die vierzehn Nothelfer'
zweimal, und zwar mit gleicher Tollendung, zur Darstellung gekommen sind;
daß die Szene auf dem geschlossenen linken Flügel im wesentlichen eine Wieder-
holung ist der Darstellung des rechten aufgeklappten Flügels des anderen
Schreins ist schon gesagt, doch bleibt sie ihrem künstlerischen Werte nach
hinter jener zurück.

Fragen wir nun nach dem Meister dieser zehn Gemälde, so ist von vorn-
herein kein Zweifel, daß wir es mit einem hochbedeutenden Künstler zu tun
haben, und daß er der Cranachschen Schule angehören muß, wird jeder Kenner
(Kanadischer Gemälde zugeben. Es finden sich nun aber auch einige auf-
fallende Ähnlichkeiten mit nachweislich von Oranach gemalten Bildern. Tor
allen ist hier hinzuweisen auf die große Ähnlichkeit des rechten Flügels vom
südöstlichen Triptychon (Tafel X), mit dem Flügelbild des Altars der Nikolaikirche
in Jüterbog, einem (nach Flechsig, Tafelbilder L. Cranachs No. 30b, Text)
unzweifelhaft von L. Cranach entworfenen, vielleicht von ihm und seinem ältesten
Sohne ausgeführten Werke. Haltung und Ausdruck sind überraschend ähnlich;
der Gruppe in Jüterbog fehlt nur die Gestalt der heiligen Katharina. Die vier-
zehn Nothelfer ferner auf dem in der Torgauer Stadtkirche befindlichen
Cranachschen Gemälde zeigen folgende Ähnlichkeiten mit den beiden
Aschersleber Triptychen: Der heilige Ägidius hat genau dieselbe Haltung und
ähnliches Gesicht, wie der Heilige auf dem rechten Flügel des nordöstlichen
Aschersleber Schreins. Der heilige Blasius gleicht auffällig demselben Heiligen
auf der rechten Tafel desselben Schreins (zugeklappt). Die entzückenden
Gesichter der Katharina und Barbara auf dieser Tafel erinnern an die heilige
Katharina und Magdalena vom Altar der Marienkirche in Halle, sowie an die
Katharina und Barbara in der Dresdener Gemälde-Galerie (No. 1706, E u. F);
die eine von ihnen auch an das Marienbild im großherzoglichen Museum zu
Darmstadt (Nr. 343). Ob diese sechs Gemälde von Cranachs eigener Hand
herrühren, muß zweifelhaft bleiben; daß sie von ihm wenigstens beeinflußt sind,
daß sie seiner Schule angehören, ist sicher. Zeit wohl Anfang des 16. Jahrhunderts,
da die zweifellos echten Cranachs, mit denen die Aschersleber die größte
Ähnlichkeit haben, dieser Zeit angehören (Torgau 1505, Jüterbog 1518).

Im nördlichen Anbau, Oberraum (G): 3. Tafelbild auf Holz (1,10X
1,51 m), das ebenso sicher als 1 u. 2 als Cranac.hscher Schule entstammend zu
betrachten ist, bisher gar nicht gewürdigt, sondern als Gerümpel betrachtet. Es
entspricht mit allen Einzelheiten genau der Klasse von Bildern, in denen Cranach
„der dogmatischen Anschauung der Reformation künstlerischen Ausdruck geben
wollte“ (so Janitschek, Geschichte der deutschen Malerei). Es behandelt die
ganze Heilsgeschichte vom Sündenfall bis zu Christi Triumph in einer von rechts
nach links gehenden Reihenfolge (Tafel XIV). Rechts im Tordergrunde Adam
sitzend, Eva um die Hüfte fassend, von der er eben den Apfel genommen hat;
beide schön in Form und Farbe; geradezu reizend ist das verführerische,
diademgeschmückte, aber in einen Schlangenleib endigende junge Mädchen, das
das Paar zu weiterem Genüsse der verbotenen Frucht zu verleiten sucht. Tor

Kreis Aschersleben.

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