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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 7.1900

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Osborn, Max: Das Ergebnis der Pariser Welt-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6699#0019

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PROF. J. M. OLBR1CH— DARMSTADT.

Vitrinen - Verzierung.

pas Ergebniss per Pariser Velt-Ausstellung.

|ur wenige Wochen noch
und die ungeheure bunte,
schillernde, lachende, und
doch so ernste, majestä-
tische Fabelstadt, die die
Pariser auf ein paar
Monate mitten aus dem
Gewirr ihrer Häuser, zwischen Strassen und
Avenüen, erstehen Hessen, ist für immer ver-
schwunden. Das riesenhafte Monstremosaik-
bild, aus zahllosen Steinchen zusammengesetzt,
die alle Nationen, alle Jahrhunderte, alle
Kulturen herangeschleppt haben, wird zer-
schlagen, und die Steinchen werden wieder
fortgetragen, in ihre Heimath, in die Museen,
auf die Märkte, oder zerstampft und in die
Müllgrube geworfen. Verschwunden ist die
malerische Schiefwinkligkeit von Alt-Paris,
das pompöse Schauspiel der Völkerstrasse,
der Karnevalsrausch der Rue de Paris mit
ihren Montmartre - Filialen, die seltsame
Farbenpracht der exotischen Welt vom Tro-
kaderohügel, verschwunden die Langweilig-
keit der endlosen Ausstellungspaläste, ver-
schwunden die Märchenherrlichkeit der
Abende, da sich Meeresströme von weissen
und farbigen Lichtern über das gewaltige

Gelände ergossen und die internationale Messe
in einen Zaubergarten verwandelten. Das
Fest ist aus, die Dekorationen werden ab-
gerissen , die Kerzen gelöscht, die Wimpel
eingerollt: der Alltag beginnt wieder.

Der Kunstfreund reibt sich die Augen
und legt sich verwundert die Frage vor, was
er denn eigentlich erlebt habe. Da rauscht
eine schier unübersehbare Fülle von Ein-
drücken heran und führt einen Hexentanz
um seinen benommenen Kopf aus. Erschöpft
setzt er sich nieder, trocknet sich den Schweiss
von der Stirn und beginnt langsam Ordnung
in die Bilder zu bringen, die ihn umgaukeln.

Es wäre vermessen, wollte man nach
den Proben, welche die Völker der Welt
von ihrer Kunst hier vorgeführt haben, so
stattlich ihre Zahl auch sein mag, endgültige
Urtheile fällen, »Bilanzen« ziehen oder gar
»Perspektiven« entwerfen. Man darf die
Weltausstellung gar so ernst nicht nehmen.
Es ist schliesslich doch nur ein grosses
Sommertheater. Da es einmal aufgeschlagen
war, gebot den Nationen die Klugheit, sich
daran zu betheiligen. Aber jedes Land und
jede Produzentengruppe hatte mit so vielen
Zufälligkeiten zu rechnen, dass von einer

1901. I. 1.
 
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