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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 7.1900

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Osborn, Max: Das Ergebnis der Pariser Welt-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6699#0020

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Dr. Max Osborn—Berlin:

prof. j. m. olbrich—darmstadt. Sopha-Kissen.

Ausgeführt von ludwig Nowotny—wien. Aus dem »Salon für eine Yacht«.

grossen Gesammtrepräsentation des gegen-
wärtigen Kulturzustandes eigentlich nirgend-
wo gesprochen werden kann. Die bildende
Kunst ist noch am besten dabei fortgekommen.
Vielleicht liegt das daran, dass man in
Paris — o Deutschland, Deutschland! —
keinen Zweig der menschlichen Thätigkeit
mit so vollendeter Höflichkeit und Rücksicht
behandelt wie die »beaux arts«.

Viel Neues freilich sagt uns das Bild,
das sich im Kunstpalast vor unseren Blicken
entfaltet, im Grunde nicht. Es ist überall
dasselbe wohlbekannte Schauspiel. Mit un-
verwüstlicher Lebenskraft erhält sich in
Orient und Occident, in nörd- und südlichem
Gelände die alte Schablonenkunst, die den
Wünschen des hochmögenden Publikums liebe-
voll entgegenkommt, sowohl in den Stoffen,
die nicht erschüttern und nicht jubeln machen,
sondern auf eine behagliche Philisterstimmung
hinzielen, wie in der Technik, die dem
Auge des Beschauers den naiven Glauben
an die Unfehlbarkeit der Epigonen-Epoche
in den beiden ersten Dritteln des 19. Jahr-
hunderts nicht rauben will. Daneben aber
strebt mit siegreicher Kraft die Kunst der
Gegenwart empor. Die neue Kultur, deren
Anfänge uns die moderne Zeit gebracht, hat
lange genug im bitteren, leidenschaftlichen

Kampfe mit der Kunst gerungen. Die
Welt - Ausstellung von 1889 zeigte, dass
dieser Krieg vor elf Jahren vielfach noch im
schönsten Gange war. Inzwischen sind in
den grossen Kulturländern überall die Ent-
scheidungsschlachten geschlagen worden.
Der lange, blutige Feldzug hat mit einem
doppelten Siege geendet; denn die Kunst
hat sich das moderne Leben und das moderne
Leben hat sich die Kunst erobert. Nur bei
den rückständigen Völkern des europäischen
Ostens, bei den Türken, Griechen, Serben,
Rumänen, Ungarn, Bosniern herrscht noch
lustig der alte Zwiespalt; auch das Reich der
Zukunft, Russland, hat, wenn man von dem
armen Finnland absieht, noch keinen Einklang
zwischen der neuen Zeit und der Kunst her-
stellen können. Freilich, die Zeit ist dort
noch keine »neue« in unserem Sinne. Die
Kultursonne des 19. Jahrhunderts, deren Bahn
im Gegensatz zu der ihrer kosmischen Kollegin
von Westen nach Osten geht, ist diesen
Nationen noch nicht aufgegangen. Aber
statt dass sich ihre Ursprünglichkeit in
karakteristischen Leistungen äussert, treiben
sie europäische Greisenkunst, westliche Kunst
von gestern und eh-vorgestern.

Wo jener Doppelsieg erfochten ist, suchen
sich nun die hohen Kontrahenten Kunst
 
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